Mein Gott! Ich wollte meinen Sessionsbericht endlich mal beginnen mit: «…und endlich ist alles wieder wie es einmal war.». Aber hey, der Beginn der Wintersession 2021 ist auch der Start in die 2. Halbzeit dieser Legislatur und wisst ihr was? Ich weiss gar nicht, wie es wäre, wenn es so wäre, wie es einmal war. Wir kommen mittlerweile nur noch mit einer 3G-Registrierung auf unserem Badge ins Bundeshaus. Mittlerweile bin ich in doppelter Hinsicht 3G-zertifiziert: Einmal im klassischen Sinne «geimpft-genesen-getestet» und dann noch im Sinne von 3x geimpft! Dies aber nur ein Nebenschauplatz dieser Wintersession.
Wir beginnen die Session in der 1. Woche noch mit klarer (Über)Sicht und ohne Plexiglaswände, dafür mit durchgehender Maskenpflicht. Nachdem im Anschluss an die Herbstsession die Plexiglaswände entfernt worden waren, hatten wir dann zu Beginn der 2. Sessionswoche aber plötzlich wieder das Vergnügen. Juhuuuu, ich kann also doch sagen, es war wieder so, wie es einmal war. Mein Blickwinkel ist also wieder eingeschränkt und die persönlichen Kontakte auch durch die nach und nach abgesagten Sessionsanlässe wieder bis auf ein Minimum eingefroren. Wir (haben und) geben uns Mühe, trotzdem vollen Power für die politischen Geschäfte aufzubringen, denn wichtige Geschäfte werden drinnen im Ratssaal debattiert und in der Wandelhalle werden die Geschäfte der nächsten Sessionen bereits vorbereitet und verhandelt.
Ich war durchaus produktiv in dieser Session. Ich habe einige Vorstösse eingereicht, habe Geschäfte meiner Kommission am Rednerpult vertreten, habe Interviews gegeben, einen Verband als Vizepräsidentin und eine parlamentarische Gruppe als Co-Präsidentin mitgegründet. Dazwischen habe ich meine E-Mail-Eingangsordner versucht im Griff zu halten, meine Aufgaben als Präsidentin der Grünliberalen Basel-Stadt wahrzunehmen und per Telefon und Fernwartung die Familie in Schach zu halten.
Aber lest nach dem Bild selbst, was es politisch Wichtiges gab und welche Vorstösse ich eingereicht habe.
Die wichtigsten Geschäfte
Wahl des Nationalratspräsidiums und des Bundesrats
Die Aargauerin Irène Kälin von der Grünen Partei ist neu die höchste Schweizerin. Sie löst damit den Berner SVP-Politiker Andreas Aebi ab. Kälin will ihr Präsidialjahr dem Motto Vereinbarkeit unterstellen – der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der Vereinbarkeit von verschiedenen Meinungen.
Strafverfolgung
Bei einem Kriminalfall sollen Ermittlerinnen und Ermittler künftig mehr Informationen aus DNA-Spuren eines mutmasslichen Täters herauslesen dürfen, aber nur, wenn es sich um gewisse Delikte wie vorsätzliche Tötung, Mord und Totschlag, schwere Körperverletzung, Verstümmelung weiblicher Genitalien, sexuelle Handlungen mit Minderjährigen, Geiselnahme oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt.
Meine Meinung:
Technische Fortschritte müssen im Gesetz verankert werden, damit Verbrechen aufgeklärt werden können. Der Staat ist es den Opfern von Straftaten schuldig, alles zu unternehmen, damit Tatverdächtige aufgespürt werden könnten. Die Methode ist ideologieneutral und verlässlicher als Aussagen von Augenzeuginnen und -zeugen und können vor allem unschuldige Verdächtige auch entlasten. Diese Gesetzesänderung ist deshalb ein wichtiger Fortschritt in der Strafverfolgung, sie muss aber sehr restriktiv gehalten werden und ein abschliessender Deliktkatalog war auch immer eine Forderung der Grünliberalen. Gut, ist das Parlament dieser Forderung nachgekommen.
Unterirdischer Güterverkehr
Die gesetzliche Grundlage für die Bewilligung des privatwirtschaftlich aufgegleisten Projekts Cargo sous terrain (CST) steht. Die Vorlage ist ein Ermöglichungsgesetz und hat zum Ziel, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Errichtung und den Betrieb weitgehend unterirdischer kantonsübergreifender Gütertransportanlagen und den Betrieb von Fahrzeugen auf diesen Anlagen zu regeln. Der Bund wird sich explizit NICHT an der Finanzierung von Bau und Betrieb solcher Anlagen beteiligen. Zudem ist vorgesehen, dass über die gesamte Lebensdauer hinweg eine Schweizer Mehrheit an der Anlage sichergestellt werden muss.
Meine Meinung:
Es braucht Innovationen und ein intelligentes Zusammenspiel mit der bestehenden Strassen- und Schieneninfrastruktur, um Dienstleistungen zu gewährleisten, wenn der Güterverkehr gemäss Berechnung in den nächsten 20 Jahren um 37 Prozent zunimmt. Die Vision eines unterirdischen Logistiksystems in der Schweiz ist visionär. Cargo sous terrain schafft es, wirtschaftliche Effizienz mit grossem Umweltnutzen zu vereinen. Mit einer marktbasierten Lösung geht die Schweiz neue, beispielhafte Wege in der Logistik und übernimmt international eine Vorreiterrolle. Ich unterstütze das Projekt schon seit längerem im Komitee: https://www.cst.ch/komitee/
Berichterstattung in der NZZ: Cargo Sous Terrain: Die unterirdische Rohrpost soll bereits in zehn Jahren Realität sein
Klimaschutz mit negativen Emissionen
Der Nationalrat setzt im Kampf gegen den Klimawandel auch auf die aktive Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre oder aus Abgasen. Emissionsminderungen allein genügten nicht, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Sogenannte negative Emissionen seien darum unverzichtbar. Mit dieser Motion beschäftigt sich nun als nächstes der Ständerat.
Meine Meinung:
Wir müssen sämtlich Möglichkeiten ausschöpfen, um die Klimaziele zu erreichen! Die Idee, Innovationen zu fördern im Bereich der negativen Emissionen ist geradezu in der DNA der Grünliberalen verankert. Damit verbinden wir Wirtschaft und Umwelt gerade zu perfekt.
Folgen des Scheiterns der CO2-Gesetzesvorlage
Die aktuellen CO2-Reduktionsziele in der Schweiz sollen neu bis 2024 statt wie ursprünglich vorgesehen nur bis Ende des laufenden Jahres gelten. Hintergrund des Schritts ist das Nein des Stimmvolks zum neuen CO2-Gesetz im Juni. Ohne eine Übergangslösung wären bereits ab 2022 keine Verminderungsverpflichtungen mehr möglich gewesen. Mit dieser Regelung können Unternehmen bestimmter Branchen die CO2-Abgabe zurückerstattet erhalten, wenn sie sich verpflichten, ihre Emissionen zu reduzieren. Auch die Kompensationspflicht für Importeure von Benzin und Diesel wäre Ende Jahr ausgelaufen.
Meine Meinung:
Leider war diese Massnahme als Sofortreaktion auf das NEIN zum CO2-Gesetz unumgänglich. Wir konnten hier nicht zu viele Ansprüche stellen. Es ging wirklich um eine Verlängerung. Dies um Zeit zu gewinnen, das Klima-Problem neu anzugehen. Es liegt ja momentan die Gletscherinitiative auf dem politischen Verhandlungstisch. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.
Kohäsionsmilliarde
Der Nationalrat will den Schweizer Erweiterungsbeitrag an die EU nicht verdoppeln. Die bürgerliche Mehrheit im Rat lehnte den entsprechenden Antrag der Aussenpolitischen Kommission (APK-N) am Mittwoch ab. Damit ist das Anliegen vom Tisch.
Meine Meinung:
Grünliberalen haben das Rahmenabkommen bis zur letzten Sekunde unterstützt. Jetzt ist es aber vom Tisch. Welche Wege bleiben uns? Der Bundesrat scheint in diesem Dossier handlungsunfähig und die Vollassoziierung von Horizon ist einfach absolut entscheidend für den Forschungsstandort Schweiz. Wenn das Parlament mit einer Geldzahlung versucht, die Türen für das Europadossier wieder zu öffnen ist das zumindest ein Versuch, denn mangels besserer Ideen muss man jede Möglichkeit ausschöpfen. Nur: Es gibt nicht nur HORIZON … wir brauchen auch Abkommen im Bereich Strom, Medizintechnik, Maschinen- und Metallbau usw. Jedenfalls habe ich den Antrag unterstützt mangels anderer innovativer Ideen, wie wir aus dieser misslichen Lage wieder herauskommen.
AHV-Reform
Das Parlament hat die Beratung über die AHV-Reform abgeschlossen. Wegen der Alterung der Bevölkerung benötigt die AHV bis 2030 rund 26 Milliarden Franken. Mit einem Bündel von Massnahmen sollen die Renten gesichert werden. Für Frauen wird das Rentenalter von 64 auf 65 Jahre erhöht. Die am stärksten betroffenen Frauen werden dafür entschädigt. Auf Antrag der Einigungskonferenz entschied das Parlament, dass diese Zuschläge bei Ergänzungsleistungen nicht hinzugerechnet werden dürfen, weil sich die Kompensation sonst wieder auflöst. Zur Finanzierung der Abfederung wird zudem die Mehrwertsteuer erhöht. Mit dem Resultat sind linke Kreise aber nicht zufrieden. Sie wollen die Vorlage in der Schlussabstimmung von Freitag ablehnen und haben das Referendum. angekündigt
Meine Meinung:
Im Gegensatz zu SP und den Grünen stimmten wir zusammen mit allen anderen für diese Anpassung. Eine progressive Reform soll auch künftigen Generationen Handlungsspielraum bieten und nicht in der Sackgasse landen. Die teuersten Vorlagen sind diejenigen, die in der Volksabstimmung abgelehnt werden.
BVG-Reform
Der Nationalrat ist auf die Reform der obligatorischen beruflichen Vorsorge (BVG) eingetreten. Der im Sommer 2019 von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gefundene Kompromiss dürfte einen schweren Stand haben. Kernstücke der Vorlage sind die Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent sowie die Anpassung der Bestimmungen an die Arbeitsformen der Gegenwart. In der Detailberatung folgte der Rat bisher stets der Mehrheit der vorberatenden Kommission, die das Kompromiss-Modell der Sozialpartner als Leistungsausbau missbilligt. Die Eintrittsschwelle bei den Löhnen hat der Nationalrat demnach von heute 25’510 auf 12’548 Franken gesenkt. Zudem sollen künftig schon 20-Jährige mit dem Sparen fürs Alter beginnen können. Heute liegt diese Grenze bei 25 Jahren. Bis zum Alter 44 soll man neu neun Prozent des koordinierten Lohns gutgeschrieben bekommen beziehungsweise erhalten, ab Alter 45 neu 14 Prozent.
Meine Meinung:
Licht und Schatten bei dieser Reform. Die Vorlage geht zwar in die richtige Richtung: Der Umwandlungssatz wird gesenkt und der Koordinationssatz halbiert. Enttäuschend ist jedoch die Ablehnung des Kompromissvorschlags Mettler, den wir versucht haben einzubringen. Mehr Details dazu auf der Website der Grünliberalen Partei.
Gerichte
Das Parlament will die Schweiz als internationalen Gerichtsstandort weiter stärken. Der Nationalrat hat als Zweitrat diskussionslos einen Vorstoss angenommen, der die Ratifikation des Haager Übereinkommens vom 30. Juni 2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen verlangt. Das Übereinkommen war 2015 in der EU in Kraft getreten. International tätige Unternehmen, die in grenzüberschreitende Streitigkeiten verwickelt sind, können sich an ein Schiedsgericht wenden. Sie erhalten somit eine gerichtliche Alternative.
Meine Meinung:
Wir müssen die Schweiz als internationalen Gerichtsstandort stärken ….und wir sollten die Schweiz überhaupt als Standort innerhalb Europas stärken und zwar FÜR uns und unsere Wirtschaft, unsere Zukunft und unseren Wohlstand. Wir sind keine Insel!
Pelzimportverbot und Tierschutz
Der Nationalrat will ein Verbot des Imports von Pelzen aus tierquälerischer Produktion. Er hat eine entsprechende Motion des Berner SP-Nationalrats Matthias Aebischer angenommen. Die grosse Kammer fällte ihren Entscheid mit 144 zu 31 Stimmen bei neun Enthaltungen. Die schlechten Bedingungen auf Pelzfarmen im Ausland seien allgemein bekannt, sagte Aebischer in der Debatte. Dennoch würden diese Pelze in der Schweiz immer noch gekauft, weil die Deklaration mangelhaft sei. Die Motion geht an den Ständerat.
Meine Meinung:
Ich glaube nicht, dass ich hier viel dazu sagen muss, ausser, dass ich die 31 Gegenstimmen und 9 Enthaltungen schlicht nicht verstehen kann.
Massentierhaltunsinitiative:
Der Nationalrat empfiehlt die Massentierhaltungsinitiative mit 111 zu 60 Stimmen bei 19 Enthaltungen zur Ablehnung. Die Schweiz tue bereits genug, um das Tierwohl zu fördern, hiess es am Mittwoch im Rat mehrheitlich. Die Volksinitiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz (Massentierhaltungsinitiative)» will die Massentierhaltung verbieten und die Würde der Tiere in der Landwirtschaft in die Verfassung aufnehmen. Abgelehnt wurde auch ein direkter Gegenentwurf des Bundesrats sowie der Antrag, eine parlamentarisch Initiative auszuarbeiten. Als nächstes debattiert der Ständerat darüber.
Meine Meinung:
So geht es in der Landwirtschaftspolitik nicht vorwärts. Die Landwirtschafts-Lobby hat nach der AP22+ und Pestizidinitiativen wieder die Reihen geschlossen und wehrt sich gegen alle konstruktiven Gegenvorschläge. Jetzt unterstützen wir die Initiative gegen die Massentierhaltung.
Folgende Vorstösse habe ich eingereicht
- Interpellation: «Versorgungssicherheit durch Energieeffizienz – Potenzial voll ausschöpfen!»
- Interpellation: K-Tipp sagt: Handy-Antennen strahlen zu stark. Wahr oder falsch?
- Interpellation: Tourismusstrategie des Bundes: Städtische Hotellerie im Nachteil!
- Fragestunde: «Anwendung von Genomeditierung»
Selbstbestimmung bis zum Tod
Zudem habe ich als Co-Präsidentin die parlamentarische Gruppe «Patientenverfügung und Selbstbestimmung gegründet.
Für viele Menschen ist der Tod immer noch ein Tabuthema. Die Hemmschwellen, sich der eigenen Endlichkeit zu stellen, sind nach wie vor gross. Bürgerinnen und Bürger sehen sich mit vielen komplexen Fragen rund um die Ausgestaltung von Patientenverfügungen, Vorsorgeaufträgen, Organspende- und Widerspruchslösungen, digitales Patientendossier und e-ID konfrontiert und oft überfordert. Dies wollen wir ändern und einen Beitrag leisten. Wir möchten selbstbestimmtes Handeln und Vertrauen stärken und auch Ängste mindern. Dieses Credo wollen wir mit Inhalten füllen und Menschen unterschiedlichster Herkunft, Gesinnung und Bildung verbinden. Denn für uns gilt: Selbstbestimmung bis zum Tod ist bedeutungsvoll!
Gründung Verband «SwissRailvolution»
Als Vizepräsidentin habe ich den Verband «SwissRailvolution» mitgegründet.
Mit dem Postulat 17.3262 Verkehrskreuz Schweiz und Vision Eisenbahnnetz, wurde der Bundesrat beauftragt, eine Vision für das Eisenbahnnetz auszuarbeiten. Unter dem Projektnamen “Perspektive BAHN 2050” untersucht das Bundesamt für Verkehr aktuell, welcher Beitrag die Bahn zur Klimastrategie leisten kann. Ob eine Verdoppelung des Marktanteils zu Gunsten des öffentlichen Verkehrs realistisch ist und wie diese zu erreichen wäre, ist Gegenstand der laufenden Studien, die auf den Beitrag der Bahn zum Klimaziel fokussieren. Nun haben die Organisationen Pro Gottardo ferrovia d’Europa, IGÖV Schweiz, Ouestrail, Pro Bahn Schweiz, usic, Alpen-Initiative, Alprail, AEDTF und Stadler rail AG beschlossen, einen neuen Dachverband zu gründen, um dem öffentlichen Personen-, Güter- und Tourismusverkehr zu helfen, einen Quantensprung zu machen und damit die “Perspektive BAHN 2050” zu begleiten: SwissRailvolution (SRV).
Hier geht es zur Homepage: https://swissrailvolution.ch/
Hier einige Berichterstattungen darüber:
Toller, informativer Bericht.
Danke für die Info und die damit erbrachte Arbeit.