Die Herbstsession 2025 war von einer traurigen Nachricht überschattet: Der plötzliche Tod von Nationalrat Alfred Heer hat uns alle tief betroffen gemacht. Auch wenn wir inhaltlich oft nicht einer Meinung waren, habe ich ihn insbesondere während meiner Arbeit in der Geschäftsprüfungskommission als engagierten, klaren und eigenständigen Politiker erlebt und geschätzt. Die Anteilnahme im Parlament war gross; die Blumen und Kerzen auf seinem nun leer gebliebenen Platz im Nationalrat führten uns eindrücklich vor Augen, dass jeder Tag ein Geschenk ist. Dies bestärkt mich einmal mehr in meinem Lebensmotto «carpe diem» (pflücke den Tag) – es gilt nach wie vor und will gelebt werden.
Diese Momente erinnerten uns auch daran, dass der politische Diskurs richtig und wichtig ist für unsere gelebte Demokratie. Gleichzeitig dürfen wir nie vergessen, dass wir am Ende alle Menschen sind, die sich selbst nicht zu ernst nehmen sollten. Entscheidend ist, dass wir uns im Bundeshaus für die bestmöglichen Voraussetzungen für unser Land, unsere Mitmenschen und vor allem für kommende Generationen einsetzen. Politik wird letztlich immer von Menschen geprägt – von Überzeugungen, aber auch von Respekt und menschlicher Nähe.
Mit dem Blick auf die Welt wurde mir in dieser Session erneut bewusst, wie viel Grund zur Dankbarkeit ich habe: für meine Gesundheit, aber auch dafür, in der Schweiz zu leben – mit einer vielfältigen Parteienlandschaft, einer funktionierenden direkten Demokratie sowie Grund- und Menschenrechten, die bei uns tagtäglich gelebt werden.
Zugleich war die Session geprägt von einer enormen Dichte an Geschäften – nicht zuletzt, weil wir erneut drei ausserordentliche Sessionen durchführen mussten. Natürlich sind die behandelten Themen wichtig. Doch wenn das Ausserordentliche zur Regel wird, gerät die ordentliche Agenda zunehmend unter Druck. Das belastet die planbare Arbeit im Parlament und muss meines Erachtens kritisch diskutiert werden.
Als zweite Vizepräsidentin des Nationalrates durfte ich erneut mehrfach den Ratsvorsitz übernehmen. Es ist eine Aufgabe, die fordert und zugleich bereichert – weil man die Debatten nicht nur als Mitglied, sondern auch aus der Perspektive der Leitung erlebt.

Ich gehe nun aber noch auf die zwei wichtigen Themen und Geschäfte ein. Möchtest du noch mehr informiert sein, dann dient dieser Link sicher auch dazu: SRF-Liveticker zur Session
Heiratsstrafe vs. Individualbesteuerung
Im Zentrum stand die Diskussion um die Initiative der Mitte-Partei zur Abschaffung der Heiratsstrafe. Für uns Grünliberale ist klar: Nur die Individualbesteuerung schafft echte Gleichstellung und beseitigt systematische Fehlanreize. Wir haben uns deshalb entschieden gegen die Initiative der Mitte und entschieden für die Einführung der Individualbesteuerung ausgesprochen.
Nachhaltigkeitsinitiative – „Keine 10-Millionen-Schweiz“
Die Debatte über die SVP-Initiative, die eine angebliche „10-Millionen-Schweiz“ verhindern will, war hochemotional. Doch solche Abschottungsinitiativen bringen keine Lösungen. Wir Grünliberalen setzen stattdessen auf konkrete Massnahmen, um das inländische Arbeitskräftepotenzial besser zu nutzen – mit einem Motivationsbonus für ältere Arbeitnehmende, einer Pensionskassen-Flatrate für tiefere Einkommen und besseren Anreizen, dass Frauen ihre Erwerbstätigkeit erhöhen können.
Mehr dazu auf der Website der GLP Schweiz: Das inländische Arbeitskräftepotenzial besser nutzen
US-Zollpolitik
Die massiven US-Strafzölle treffen die Schweizer Wirtschaft hart. Wir Grünliberalen haben deshalb ein Vorstosspaket lanciert: Märkte diversifizieren, neue Freihandelsabkommen vorantreiben, Talente gewinnen und Bürokratie abbauen. Damit geben wir den Unternehmen Perspektiven in einem zunehmend rauen Umfeld und sichern Arbeitsplätze sowie Wohlstand.
Motion Gössi: Schutz des geistigen Eigentums vor KI-Missbrauch
Als Sprecherin meiner Kommission (WBK-N) durfte ich in diesem für mich wichtigen Geschäft das Wort ergreifen. Worum ging es? Um journalistisches Schaffen, künstlerische Leistungen, Musik, Literatur und Film – alles Bereiche, die für unsere Gesellschaft unverzichtbar sind, aber durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zunehmend unter Druck geraten.
Die ursprüngliche Fassung der Motion verlangte eine Zustimmungspflicht bei jeder einzelnen Nutzung von Inhalten durch KI. Das wäre in der Praxis kaum umsetzbar gewesen und hätte Forschung, Innovation und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz massiv gefährdet.
In der Kommission habe ich mich deshalb mit aller Kraft dafür eingesetzt, dass wir zwar das drohende Marktversagen in der Kreativwirtschaft und bei Medienschaffenden ernst nehmen, aber gleichzeitig Fortschritt, Innovation und Forschung nicht ausbremsen. Wir haben den Motionstext entsprechend angepasst: Wir wollen schützen, aber nicht blockieren. Der Nationalrat hat sich dieser Sichtweise angeschlossen.
Nun gilt es, konkrete Lösungen zu entwickeln – etwa durch technische Standards, Transparenzpflichten oder kollektive Lizenz- und Vergütungsmodelle. Das Ziel bleibt klar: die Kreativwirtschaft stärken und gleichzeitig Innovation ermöglichen.
Zum Bericht von Klein Report: KI: Nationalrat nimmt Motion Gössi abgeschwächt an
Eigene Vorstösse
Auch in dieser Session konnte ich mehrere eigene Anliegen einbringen:
- Potenzial für einen früheren Arbeitsmarkteintritt junger Menschen prüfen
20 Minuten hat darüber berichtet: Junge sollen früher zur Arbeit: GLP-Christ will Gymi verkürzen - Talentstrategie Schweiz – Momentum nutzen!
- Gesamtverkehrsplanung statt sektorieller Planung?
- (Neue) Marktzugänge sichern und Diversifikation erleichtern
- Auslegeordnung zum frühen Fremdsprachenlernen und zu den Modellen des Fremdsprachenunterrichts in der Volksschule
Zum Artikel von Swissinfo: Dammbruch beim Frühfranzösisch: Driftet nun die Schweiz auseinander?
Discuss-it Ambassadors
Neu freue ich mich auch, Teil der Discuss it-Ambassadors zu sein. Dieses überparteiliche Netzwerk von Parlamentsmitgliedern unterstützt die politische Bildungsarbeit von Discuss it und stärkt den Dialog zwischen Politik und Jugend. Mit dieser Plattform möchte ich dazu beitragen, dass sich junge Menschen aktiv einbringen und Demokratie auch im Alltag erlebbar bleibt.

Persönlicher Ausblick
Nach dieser intensiven Session freue ich mich auf eine kurze Verschnaufpause – bevor schon die Vorbereitungen für die Wintersession anstehen. Gleichzeitig läuft in Riehen BS der Wahlkampf für die Gesamterneuerungswahlen bereits auf Hochtouren, und auch der Abstimmungskampf zu den Vorlagen vom 28. September 2025 fordert uns in den kommenden Tagen noch einmal stark.


So kam es, dass ich kaum aus den Sessionswochen zurück jeweils am Samstag wieder mit dem Team der GLP Riehen auf der Strasse stand – im direkten Gespräch mit den Menschen vor Ort. Genau dieser Wechsel zwischen nationaler Politik in Bern und dem Engagement zuhause macht für mich den besonderen Reiz dieser Arbeit aus. Er bereichert meinen Alltag und erweitert meinen Horizont Tag für Tag.
Gerne würde ich solche Gedanken mit einem Schiff über den Atlantik schicken …
Stay tuned!