Zur Sondersession pilgert jährlich nur der Nationalrat, während der Ständerat «auf der faulen Haut liegt» … oder anderen Beschäftigungen nachgeht. Wieso ist das eigentlich so?

Es gibt sicher verschiedene Sichtweisen, aber da der Nationalrat 200 Mitglieder hat, die oft und gerne Vorstösse einreichen, ist es – zumindest denjenigen unter Euch die mathematisch einigermassen auf der Höhe sind – relativ klar, dass der Nationalrat zur Abarbeitung all dieser Vorstösse irgendwann im Jahr mal nachsitzen muss.
Der Ständerat hingegen mit seinen 46 Mitgliedern und zudem wohl etwas weniger «vorstosswütig», darf hingegen darauf verzichten.
Man könnte nun sagen: «Selber schuld! Ihr müsst halt weniger Vorstösse einreichen». Tja, man könnte aber auch sagen, dass wir einfach gerne arbeiten und dass es einfach so viele wichtige Themen gibt, wo wir vorwärts machen müssen und wollen und wir uns darüber hinaus freuen, uns so zwischendurch alle im Bundeshaus wiederzusehen…!
Aber Spass beiseite, denn wir hatten wirklich auch einige entscheidend wichtige Geschäfte auf der Traktandenliste. Zudem war ich gerade während der Abarbeitung der Vorstosslisten in der Ratsleitung gefordert und sass doch einige Stunden oben auf dem «Bock». Das ist wichtig, denn nur Übung macht die Meisterin.
Metaphorisch lässt sich diese Sondersession vielleicht mit den Regenwolken vergleichen, die am Sonntag über der Schweiz aufzogen: Sie kamen wie aus dem Nichts, hielten sich drei Tage lang über dem Land, liessen es kräftig regnen – und verschwanden dann genauso plötzlich, wie sie gekommen waren.
Keine Vorstösse mehr in der Sondersession
Ich hatte mir bereits im Vorfeld der Session vorgenommen – und mich schliesslich auch daran gehalten – während dieser Sondersession keine neuen Vorstösse einzureichen. Es ist ohnehin die letzte Sondersession, in der das überhaupt noch möglich ist: Ab 2026 dürfen während der Sondersession keine neuen Vorstösse mehr eingereicht werden. Es wird sich zeigen, ob uns dafür in der darauffolgenden Sommersession eine regelrechte Flut an Vorstössen erwartet.
Das Thema Vorstösse bleibt jedenfalls ein Dauerbrenner – und wird es wohl auch bleiben. Denn es gibt ganz unterschiedliche Blickwinkel darauf: Einerseits ermöglichen sie uns, politische Anliegen einzubringen und auf drängende Themen aufmerksam zu machen. Andererseits erzeugen sie auch einen enormen administrativen Aufwand. In einer direkten Demokratie mit einem lebhaften Parlament wird der Umgang mit Vorstössen deshalb weiterhin für Diskussionen sorgen.
Da die Sondersession in erster Linie der Abarbeitung von Vorstosslisten dient und zudem nur drei Tage dauert, fällt auch dieser Bericht entsprechend kürzer aus. Ich gehe aber noch auf die zwei wichtigen Geschäfte ein, die wir neben den Vorstosslisten auch noch debattiert haben in den drei Tagen.
Möchtest du noch mehr informiert sein, dann dient der Liveticker von SRF sicher auch dazu: Die wichtigsten Entscheide des Nationalrats
Kita-Förderung: Nationalrat beschliesst finanzielle Beteiligung des Bundes
Der Nationalrat hat in der Sondersession dem neuen Bundesgesetz zur Förderung der familienergänzenden Kinderbetreuung zugestimmt. Damit soll die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestärkt, die Qualität in Kitas verbessert und die Betreuungskosten für Eltern gesenkt werden. Im Unterschied zur ständerätlichen Version sieht die nun beschlossene Vorlage eine subsidiäre, aber dauerhafte finanzielle Beteiligung des Bundes vor. Kantone, Gemeinden, Arbeitgeber und Eltern bleiben weiterhin in der Verantwortung – aber der Bund schliesst gezielt Lücken und unterstützt kantonale Programme.
Ich bin sehr froh, dass wir damit nun eine gute Vorlage zimmern konnten. Dieses Geschäft lag innerhalb der GLP-Fraktion in meiner Verantwortung, denn es war in der Zuständigkeit der WBK-N. Der Nationalrat folgte in der Mehrheit sämtlichen Positionen der GLP. Das Geschäft geht nun zurück an den Ständerat. Ich bin gespannt, wie er reagiert.
Ich bin überzeugt, dass wir mit diesem Gesetz einen wichtigen Beitrag zu mehreren zentralen Herausforderungen unserer Zeit leisten: Wir stärken die Chancengerechtigkeit, schaffen bessere Entwicklungsmöglichkeiten für Kinder, fördern individuelle Lebensentwürfe und geben eine konkrete Antwort auf den Fachkräftemangel.
Die Erwerbsbevölkerung schrumpft – und dennoch fehlen politische Lösungen. Diese Vorlage ist ein ausgewogener, liberaler und dringend nötiger Schritt: Wenn sich Arbeit wegen zu hoher Betreuungskosten nicht lohnt, ist das weder ökonomisch sinnvoll noch gesellschaftlich verantwortbar. Jetzt schaffen wir bessere Bedingungen – mit fair verteilter Verantwortung und einem klaren Impuls des Bundes.
Individualbesteuerung: Nationalrat beschliesst wichtigen Kompromiss
In der Sondersession des Nationalrats 2025 haben wir einen bedeutenden Schritt hin zur Einführung der Individualbesteuerung gemacht. Nach intensiven Diskussionen haben wir uns auf einen Kompromiss beim Steuertarif geeinigt, der jährliche Mindereinnahmen von rund 600 Millionen Franken zur Folge hätte – ein tragfähiger Mittelweg zwischen finanzpolitischer Verantwortung und gesellschaftspolitischem Fortschritt. Damit haben wir eine zentrale Differenz zur Version des Bundesrates bereinigt, der mit 870 Millionen deutlich höhere Ausfälle vorgesehen hatte.
In anderen Punkten – etwa beim Versuch, kinderbezogene Abzüge zwischen Elternteilen übertragbar zu machen – haben wir klar Position bezogen und solche Vorschläge abgelehnt. Für uns war und ist zentral, dass die Individualbesteuerung auch in der Umsetzung ihrem Anspruch gerecht wird: eine eigenständige und diskriminierungsfreie Besteuerung unabhängig vom Zivilstand.
Als GLP haben wir die Individualbesteuerung seit Jahren konsequent vorangetrieben und mitgeprägt. Sie ist für uns ein zentrales Reformanliegen, weil sie echte Gleichstellung ermöglicht, Erwerbsanreize verbessert und überholte Rollenbilder im Steuerrecht korrigiert. Der jetzige Beschluss ist ein starkes Signal in diese Richtung – und auch ein wichtiges Zeichen gegenüber der Volksinitiative zur Individualbesteuerung, für die wir ebenfalls Verständnis zeigen, aber die wir mit dieser Vorlage nun gezielt ergänzen und abfedern können.
Der Nationalrat empfahl dann den Stimmenden zudem knapp ein JA zur «Steuergerechtigkeits-Initiative». Die Initiative wurde 2022 eingereicht, obwohl der Bundesrat damals schon an der Einführung der Individualbesteuerung arbeitete. Sollte nun aber der indirekte Gegenvorschlag die Schlussabstimmung im Parlament und ein allfälliges Referendum überstehen, könnte die Initiative zurückgezogen werden.
Jetzt liegt in diesem Geschäft der Ball beim Ständerat – wir bleiben dran.
Nach drei intensiven Tagen war die Sondersession des Nationalrats 2025 vorbei – und alle strömten zurück in ihren Alltag. Doch die Ruhe währt nur kurz: In gut drei Wochen startet bereits die ordentliche Sommersession, und bis dahin gibt es noch einiges zu tun.
Für mich als Baslerin steht nun aber erst einmal der Eurovision Song Contest vor der Tür. Ich bin sehr gespannt, wie sich Basel in diesen Tagen verwandeln wird. Ein erstes Highlight ist jedenfalls schon sichtbar – im wahrsten Sinne des Wortes: Auf dem Bild seht ihr das neue Gadget der Stadt, einen überdimensionalen BASEL-Schriftzug in Sitzgelegenheits-Optik direkt am Rheinbord. Von dort aus ist er sicher von überall gut zu sehen. Ich bin ja soooo froh, dass auch wir jetzt endlich deutlich beschildert sind…!
