Bericht der Frühlingssession 2023

Die Frühjahrssession begann diesmal am Basler «Fasnachtsmäntig»! Was kann ich dazu sagen. Ich frage mich immer wieder, ob ich mich nicht an die UNESCO wenden kann und dort einfordern, dass es während der «drei scheenschte Dääg» schlicht und weg untersagt ist, offizielle Veranstaltungen wie eidgenössische Sessionen oder anderweitige Happenings mit Präsenzpflicht abzuhalten. Es hiess dann halt für mich «Augen zu und durch».

Ich habe in weiser Voraussicht auf eine intensive Sessionswoche auf den «Morgestraich» verzichtet und bin dann brav am Montagvormittag – während die Fasnächtler vom Morgestraich zurück kamen – mit meinem Köfferli nach Bern gereist. Und wieso eigentlich fragen immer alle «Nicht-Basler», ob ich an der Fasnacht, sprich am Morgestraich war? Immer und immer wieder erkläre ich, dass der Morgestraich zwar wichtig und wohl DER Exportschlager sei, dass die Fasnacht aber ganze drei Tage dauere und der Morgestraich nur der Startschuss sei.

Drama und Chaos statt klar gesetzten Themen

Aber eigentlich wollte ich Euch ja nicht über meine verpasste Fasnacht berichten (was mir aber die 1. Sessionswoche doch beachtlich vermieste …) sondern über die Geschehnisse und Ereignisse während der Frühjahrssession: Es schien als wären die Themen klar gesetzt: Waffenlieferungen, BVG-Reform und Bundesbeiträge an die Kinderbetreuung.

Dann kam aber plötzlich noch das Drama mit der Credit-Suisse und die Medien- und mit ihr die Politwelt waren total aus dem Konzept, ganz nach dem Motto «der Tag hat kaum begonnen, schon sind die Pläne zerronnen». Aber irgendwie gefällt mir das auch an meinem Alltag. Kein Tag gleicht dem anderen. Das Chaos tut einem ordnungsliebhabenden Menschen wie mir ganz gut.

Ansonsten war alles dabei, von Schnee über Regen, Sturm und Sonne, dies am Himmel wie auch unter der Bundeshauskuppel. Nun ist auch dieser Streich wieder vorbei. Die Familie hat zumindest einmal mehr überlebt und die Katze wurde wohl auch gefüttert … oder ist sonst irgendwie zu Nahrung gekommen. Alles in allem bin ich bereichert und müde zurück aus der Session. Und nun fragt ihr, was denn jetzt als nächstes kommt? Am Montag starte ich in die Woche mit der nächsten Kommissionssitzung mit Vorberatungen für die nächste Session. Und die kommt bestimmt schneller als man denken kann.

Und nun komme ich wie immer noch zu den zahlreichen Geschäften, wovon ich euch nur eine Auswahl präsentiere. Hier ist sie:


Lockerung bei Waffenweitergabe?

Im Parlament ist weiterhin keine Mehrheit für indirekte Waffenlieferungen an die Ukraine erkennbar. Der Nationalrat stimmte zwar dafür, Wiederausfuhren zu ermöglichen, wenn der Uno-Sicherheitsrat einen Angriffskrieg verurteilt. Praktisch ändert das allerdings nichts. Er will die Weitergabe von Schweizer Waffen durch Drittstaaten de facto nicht erleichtern.

Meine Meinung:
Der Angriffskrieg Russlands ist völkerrechtswidrig, basiert auf dem Recht des Stärkeren und negiert die Achtung von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten. Es braucht deshalb eine Neutralitätspolitik, die der neuen Bedrohungslage gerecht wird. Die Neutralität ist kein Selbstzweck, sondern ein Instrument zur Wahrung unserer Sicherheit. Im Fall einer Verletzung des Völkerrechts braucht es nebst den guten Diensten und der humanitären Hilfe auch eine Reform der Regeln für die Wiederausfuhr von Rüstungsgütern. Es ist völlig unverständlich, dass das Parlament sich nicht auf einen weitergehenden Kompromiss einigen konnte. Es ist eine verpasste Chance, dem Bundesrat den verlangten Impuls zu geben und die Handhabung der Wiederausfuhr von Rüstungsgüter zu revidieren.
Es ist zudem dringend notwendig, dass der Bundesrat die Ausfuhr von Schutzgütern zum Schutz der Zivilbevölkerung ermöglicht. Es braucht in diesen Fragen mehr Leadership seitens des Bundesrats. Wir müssen die Neutralität dringend selbstbewusst ausgestalten und umsetzen


Agrarpolitik22+

Vor fast zwei Jahren hatte das Parlament die Agrarpolitik ab 2022 (AP22+) auf Eis gelegt und eine Langzeitperspektive verlangt, die auch Themen wie Ernährungssicherheit und Food Waste beinhalten sollte. Das Parlament hat sich nun geeinigt auf die Ausrichtung der Agrarpolitik in den nächsten Jahren und hat mit klarem Mehr eine Vorlage ohne zusätzliche Klimaziele verabschiedet. Die GLP und die Linke wollten gerne mehr ökologische Anliegen einbringen. Im Nationalrat wurden jedoch rund zwanzig Minderheitsanträge dazu abgelehnt. Im Landwirtschaftsgesetz gibt es deshalb weder einen Absenkpfad für Treibhausgase noch einen Ausbaupfad für mehr Tierwohl.

Meine Meinung:
Seit Jahren versprechen Bundesrat und die rechtsbürgerlichen Parteien der Bevölkerung mehr Markt und mehr Ökologie in der Landwirtschaft. Aber den Worten folgen keine Taten. Dringende Massnahmen werden auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben und selbst bescheidene Fortschritte infrage gestellt, besonders bei den Pestiziden und Düngemitteln. Die Folgen werden nicht zuletzt die Bauern tragen müssen, da die heutige Landwirtschaftspolitik ihnen bei der nötigen Transformation hin zu einer klima- und umweltschonenden Produktion Hindernisse in den Weg stellt, anstatt sie zu unterstützen. Diese Verzögerungstaktik ohne echte Perspektiven auf Besserung ist nicht weiter akzeptierbar. Der Handlungsbedarf bleibt gross, die nötigen und wissenschaftlich abgestützten Massnahmen liegen längst auf dem Tisch. Immerhin, ein positiver Punkt der AP22+ ist zu erwähnen: Lebenspartner:innen von Bäuerinnen und Bauern werden endlich sozial besser abgesichert.

Katja Christ und Kathrin Bertschy, Nationalrätinnen GLP
Im Nationalratssaal kann ich von der jahrelangen Erfahrung von Sitznachbarin Kathrin Bertschy profitieren.

Dringliches Gesetz «Windoffensive»

Der Nationalrat will nach der Solaroffensive auch eine Windenergieoffensive: Er hat dem dringlichen Bundesgesetz zur Beschleunigung der Bewilligungsverfahren für Windparks zugestimmt. Für eine bestimmte Zeit sollen die Standard-Verfahren für die Bewilligung von Windparkanlagen ausser Kraft gesetzt werden, nämlich bis in der Schweiz im Vergleich zu 2021 Windparks mit einer zusätzlichen Leistung von 600 Megawatt gebaut sind. In dieser Zeit sollen die Kantone die Baubewilligung für Windkraftprojekte im nationalen Interesse erteilen. Noch muss das Gesetz vor den Ständerat.

Meine Meinung:
Das Potenzial der Windenergie in der Schweiz wurde lange unterschätzt. Der Verband Suisse Eole hat kürzlich ein Konzept 2030 zum Ausbau der Windenergie vorgelegt. Demnach könnten in der Schweiz schon bis ins Jahr 2030 bis zu 6 TWh/Jahr durch Windenergie erzeugt werden. Dies entspricht fast 10% des heutigen Stromverbrauchs. Zwei Drittel davon könnten im Winterhalbjahr produziert werden. Die Windexpress-Vorlage entspricht wie der Solarexpress in erster Linie einer Beschleunigung gewisser Wind-Projekte. Windenergie-Anlagen sind gut rückbaubar. Deshalb sollen sie auch in schnelleren Verfahren bewilligt werden können. Rasche Entscheide sind umso besser vertretbar, wenn Schutzziele nicht unwiederbringlich gefährdet werden. Sollten die Anlagen einmal nicht mehr benötigt werden, können sie zurückgebaut werden, was insbesondere in Bezug auf den Landschaftsschutz ein grosser Vorteil der Windkraft ist.


Reform berufliche Vorsorge / 2. Säule

National- und Ständerat diskutierten die BVG-Reform in den vergangenen 15 Monaten während Dutzenden Stunden. Dazu kamen ellenlange Debatten in den vorberatenden Kommissionen. Nun nahm das Parlament die letzten Änderungen beim Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge an. Mit der sogenannten Reform BVG 21 soll die berufliche Vorsorge für die Zukunft fit gemacht werden. Grund dafür ist, dass die Pensionskassen wegen der Überalterung der Gesellschaft zuletzt mehr Geld für die Finanzierung der laufenden Renten aufwenden mussten, als zuvor von Arbeitgebern und Angestellten angespart worden war. Dies führt zu einer Umverteilung von den Erwerbstätigen zur Rentnergeneration. Breiter Konsens im Parlament bestand, dass dies geändert werden muss – etwa durch eine Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent, was eine Rentenkürzung bedeutet. Wie diese Leistungseinbusse kompensiert werden soll, war aber umstritten. Die Räte haben sich in den letzten Details der Vorlage nun geeinigt (Details darüber würden den Rahmen dieses Berichts sprengen…). Das Geschäft hat es dann auch durch die Schlussabstimmung geschafft. Dass ein Referendum gegen die BVG-Reform zustande kommt, steht aber ausser Frage.

Meine Meinung:
Wir Grünliberalen haben von Anfang an zwei Ziele für die BVG-Reform formuliert: Die Herstellung von Gerechtigkeit unter den Generationen und bessere Renten für Teilzeitarbeitende. Davon sind insbesondere Frauen betroffen. Dank unserem enormen Einsatz erfüllt die nun vom Parlament beschlossene Reform beide Punkte. Damit ist ein zentraler Schritt hin zu einer modernen Rentenversicherung gelungen. Das Parlament hat seine Hausaufgaben gemacht. Die Linken haben jedoch bereits das Referendum angekündigt. Somit wird das Volk dann das letzte Wort haben.


Bundesgelder für Kinderbetreuung

Ziel der Vorlage ist es, die Erwerbstätigkeit von Müttern und Vätern zu fördern, indem Familien mehr Zuschüsse an die Betreuungskosten ihrer Kinder erhalten. Die vom Bund seit zwanzig Jahren geleistete Anstossfinanzierung für die Schaffung von Betreuungsplätzen für Kinder soll in eine dauerhafte Lösung überführt werden. Beschlossen hat der Rat nun, dass der Bund zunächst bis zu 20 Prozent der durchschnittlichen Kosten eines Betreuungsplatzes übernimmt; später kann es weniger sein. Der Bund soll zudem lediglich Betreuungsplätze für Kinder unterstützen, deren Eltern ein bestimmtes Arbeitspensum leisten. Unterstützt werden sollen Betreuungsplätze für Kinder bis zum Ende der Primarschulzeit. Der Ständerat ist am Zug.

Meine Meinung:
Die Förderung der familienexternen Kinderbetreuung ist eine effektive und naheliegende Massnahme, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken, die Erwerbstätigkeitsquote in der Schweiz nachhaltig zu erhöhen, die Gleichstellung der Geschlechter voranzutreiben und die Chancengleichheit von Kindern zu verbessern – alles Kernanliegen von uns Grünliberalen. Ein Praxisbeispiel illustriert, wieso die Kosten von Kinderbetreuung so relevant sind: Zwei Kinder, drei Tage Kita pro Woche – macht 40’000 CHF pro Jahr. Bei derartigen Kosten beginnt jede Familie zu rechnen, ob Erwerbstätigkeit sich lohnt. In der familienergänzenden Kinderbetreuung steht die Schweiz im OECD-Vergleich als Schlusslicht da. Um Eltern im Arbeitsmarkt zu halten, müssen die Rahmenbedingungen dringend verbessert werden. Die Vorlage ist eine lohnende Investition in die Zukunft. Sie hat erheblichen volkswirtschaftlichen Nutzen und trägt zu Gleichstellung und Chancengerechtigkeit bei – zwei liberale Kernanliegen.


Keine Verkaufsverbot für Verbrennerautos ab 2035

Der Nationalrat will nichts wissen von einer Regelung betreffend eines Verkaufsverbots für Fahrzeuge, die im Betrieb nicht klimaneutral zum Beispiel ab dem Jahr 2035. Er hat eine diesbezüglich parlamentarische Initiative abgelehnt, die Handlungsbedarf geortet hatte. Die Initiative erfolgte mit Verweis auf einen Entscheid des EU-Parlaments, welches beschlossen hat, ab 2035 keine Autos mit Verbrennermotor mehr zuzulassen. Noch müssen diesem Entscheid aber die EU-Staaten zustimmen.

Meine Meinung:
Da dies ein Geschäft war, das in meiner Verkehrskommission vorbesprochen wurde, habe ich hier das Votum zum Antrag der Minderheit gehalten. Die Minderheit war überzeugt, dass es für die Branche Planungssicherheit gebracht hätte, hätten wir ein klares Ausstiegsdatum definiert. Ob für alle Verbrenner oder in einer technologieoffenen Formulierung des Antriebs, war noch offen. Wir hätten das so formulieren können, wie wir es für richtig gehalten hätten.

Hier geht’s zu meinem ganzen Votum:


Erfolg: Nationalrat nimmt Vorstoss für mehr Energieeffizienz an

Die billigste und umweltfreundlichste Energie ist die, die wir nicht verbrauchen und deshalb gar nicht erst produzieren müssen. Energieeffizienz muss daher ein wesentlicher Pfeiler der Schweizer Energiestrategie sein. Es freut mich deshalb ungemein, dass der Nationalrat heute meine Motion «Mehr Energieunabhängigkeit durch weniger Energieverschwendung. Energieeffizienzpotenzial ausschöpfen» angenommen hat 💪

Nun muss nur noch der Ständerat zustimmen – es bleibt spannend!

Mein Bericht dazu:


Zudem habe ich resp. die GLP-Fraktion folgende Vorstösse eingereicht:

2 Gedanken zu „Bericht der Frühlingssession 2023

  1. Pascal Schacher Antworten

    Hoi Katja 🙂
    Wie immer eine ausführliche Berichterstattung. Es ist für wirklich ein Vergnügnen Dich zu lesen ! nach einer Session !
    Mache weiter so und wir werden am 22. Oktober nochmals gewinnen davon bin ich überzeug.
    Erhole Dich jetzt ein bisschen und tankt viele Kraft.
    Liebe Grüsse
    Pascal

  2. Pingback: Bericht der Sommersession 2023 - Katja Christ

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