Die Sommersession ist in diesem Jahr bereits die vierte Session und somit reiht sie sich fast nahtlos an die Frühlingssession, die ausserordentliche Session und die Sondersession an. Da die paar Tage dazwischen fast komplett mit Kommissionssitzungen zugepflastert waren, kenne ich mittlerweile das Bundeshaus von innen besser als meine eigenen vier Wände in Riehen. Habe vorsichtshalber mal ein Foto von mir zu Hause auf dem Tisch platziert.
Es ist nun die vorletzte Session in dieser Legislatur und das bedeutet auch, dass die Wahlen im Herbst langsam aber sicher zu spüren sind. Wahlfotos werden herumgereicht und ausgesucht, Besuchergruppen durch die Gänge geschleust und gelächelt was das Zeug hält. An sämtlichen Anlässen werde ich gefragt, ob ich schon im Wahlkampf sei oder wann dieser beginne. Meine Antwort: Ich bin seit 3 ½ Jahren im Wahlkampf. Die Wahlen im Herbst sind der Moment für mich aufzuzeigen, was ich die vier Jahre gemacht habe. Aber von aussen betrachtet beginnt wohl der Wahlkampf mit öffentlich wahrnehmbaren Plakaten, Podien und Interviews. Ich bin jedenfalls nach wie vor guten Mutes und konzentriere mich wie immer auf meine politische Arbeit und pflege Zwischenmenschliches. Denn jeder Tag als Nationalrätin ist wertvoll und unbezahlbar. Carpe diem ist und bleibt mein Motto, wobei inhaltlich Weitsicht unabdingbar ist.
Die Session selbst war unruhiger und lauter als sonst. Ob das die beginnende Wahl-Nervosität ist oder ob die überdurchschnittliche Arbeitsbelastung insbesondere in diesem halben Jahr langsam spürbar wird sei dahingestellt. Jedenfalls stand die Selenski-Ansprache sinnbildlich für eine allgemein unsichere und unruhige Lage. Aber gerade deswegen braucht es ein starkes Parlament und eine geeinte Führung.
Aber nun komme ich wie immer noch zu den zahlreichen Geschäften, wovon ich Euch eine wirklich kleine Auswahl präsentiere, dort aber etwas detaillierter drauf eingehe. Hier ist sie:
Ausbau Nationalstrassen: Beton, Beton, Beton …
Für Betrieb, Unterhalt und Ausbau der Nationalstrassen hat der Nationalrat für die Jahre 2024 bis 2027 einen Zahlungsrahmen in Höhe von 8,787 Milliarden Franken gesprochen. Dazu kommen Ausbauprojekte im Umfang von 5,3 Milliarden Franken, sogar noch 1 Milliarde mehr als der Bundesrat ursprünglich beantragt hatte. Nicht überall kommt das gut an. Zusammen mit Links-Grün wollten auch wir Grünliberalen eine Überarbeitung der Vorlage unter Berücksichtigung der umwelt-, klima- und energiepolitischen Ziele des Bundes. Die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat jedoch verabschiedet die absolute Maximalvariante «Ausbau» ohne jegliche flankierenden Massnahmen.
Meine Meinung:
Wer Strassen sät, wird Stau ernten. Das belegen etliche Studien. Es braucht, wenn immer möglich, andere Ansätze, um dem Mobilitätsbedürfnis zu begegnen. Ganz im Gegensatz dazu präsentiert uns der Bund nun Beton, Beton und nochmals Beton statt mehr Intelligenz und Weitsicht, Symptom- statt Ursachenbekämpfung. Statt der vorgelegten «Pflästerlipolitik» wäre ein gesamtschweizerisches, integral durchdachtes und finanziertes sowie zukunftsweisendes Mobilitätskonzept über alle Verkehrsträger hinweg dringend notwendig.Wir Grünliberalen hatten uns so positioniert, dass wir grundsätzlich die Tunnelprojekte unterstützt haben, reine Spurerweiterungen oberirdisch jedoch aus genannten Gründen abgelehnt haben. Verkehr unter den Boden, um oberirdisch Platz für den städtischen Langsamverkehr oder zum Leben freizumachen bringt insgesamt eine Verbesserung. Reine Kapazitätserweiterung oberirdisch sind jedoch ein Fass ohne Boden und wird uns nicht nachhaltig entlasten sondern nur kosten.
PUK-Einsetzung wegen CS-Krise
Drei Monate nach der Zwangsübernahme der Credit Suisse durch die Konkurrentin UBS beschliessen beide Räte die Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission, kurz: PUK. Die PUK ist das stärkste Instrument der parlamentarischen Oberaufsicht. Eingesetzt wird eine PUK, wenn Vorkommnisse von grosser Tragweite zu klären sind. Bisher war das erst vier Mal der Fall: nach dem Mirage-Skandal 1961, der Kopp-Affäre 1989, nach dem Fichen-Skandal 1990 und zur Abklärung von Organisations- und Führungsproblemen bei der Pensionskasse des Bundes (PKB) im Jahr 1995. Eine PUK hat die gleichen Rechte wie die Geschäftsprüfungsdelegation und die Finanzdelegation. Sie kann insbesondere Personen als Zeugen befragen und die Protokolle und Unterlagen der Bundesratssitzungen einsehen.
Meine Meinung:
Wir können nach dem Debakel nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Es braucht eine minutiöse Aufarbeitung der Vorgänge, die zum Untergang der CS geführt haben. Daraus müssen wir die richtigen Lehren für die Gesetzgebung ziehen und die Aufsichtsbehörden stärken.
GLP-Vorstosspaket für faire Einbürgerungsbedingungen
Ein Viertel der Menschen in der Schweiz hat aktuell einen ausländischen Pass. Gemäss einer Untersuchung kennt die Schweiz in Europa nach Zypern die zweitstrengsten Einbürgerungsregeln. Der Nationalrat will die Hürden zur Schweizer Staatsbürgerschaft trotzdem einmal mehr nicht senken und hat mehrere Vorstösse aus den Reihen der Grünliberalen abgelehnt. Diese sind damit erledigt, das Thema aber bleibt aktuell. Die Fraktionen von SVP, FDP und Mitte sagten jeweils fast geschlossen Nein zu vier Motionen für «faire Spielregeln bei der Einbürgerung». Sie wollen das vor fünf Jahren in Kraft getretene revidierte Bürgerrechtsgesetz nicht bereits wieder ändern.
Das Parlament hat in der jüngeren Vergangenheit Lockerungen bei der Einbürgerung immer wieder abgelehnt. Ausländerinnen und Ausländer sollen weiterhin zehn Jahre in der Schweiz leben müssen, bevor sie einen Schweizer Pass beantragen können. Weiter sollen die teilweise hohen Mindestaufenthaltsdauern in Gemeinden nicht auf 1-3 Jahre reduziert werden (Heute: 2-5 Jahre). Zudem soll es weiterhin möglich sein, dass die Stimmberechtigten einer Gemeindeversammlung über ein Einbürgerungsgesuch entscheiden. Ich wollte den Entscheid in jedem Fall einem Parlament, einer Exekutive, einer Behördenkommission oder einem vergleichbaren Gremium übertragen.
Schliesslich sollen auch die Einbürgerungshürden für die 2. Generation nicht gesenkt werden. Auch langjährige Schülerinnen und Schüler müssen damit weiterhin einen Einbürgerungstest absolvieren.
Meine Meinung:
Grosse, grosse Enttäuschung. Wir wollten bei den inhaltlichen Voraussetzungen nicht weniger fordern für die Einbürgerung. Wir wollten nur die formellen Hürden auf ein akzeptables Mass reduzieren, so dass es einem modernen, aufgeschlossenen Staat mitten in Europa würdig ist. Denn eigentlich hätten wir ein ureigenes Interesse, die Menschen, die bei uns leben, die Sprache beherrschen und integriert sind, auch einzubürgern.
Sexualstrafrecht: Nur Ja heisst Ja … das Parlament sagt aber leider Nein!
National- und Ständerat haben sich nun darauf geeinigt, den Schockzustand von Opfern in den Vergewaltigungstatbestand einzuschliessen. Es bleibt aber trotzdem beim «Nein heisst Nein» im Sexualstrafrecht. Doch im Zusammenhang mit dem Widerspruch gegen sexualisierte Gewalt wird ein Schockzustand des Opfers – sogenanntes Freezing – ausdrücklich erwähnt. Damit anerkennen die Räte, dass Opfer von sexualisierter Gewalt zuweilen ihre Ablehnung nicht zum Ausdruck bringen können, wenn sie sich in einer Art Schockzustand befinden. Gerichte sollen dies künftig ebenfalls als Ablehnung deuten können.
Der Nationalrat hatte bisher das Modell «Nur Ja heisst Ja» gewollt. Der Minderheitsantrag der Grünliberalen, dabei zu bleiben, fand nur Unterstützung in den Fraktionen von SP und Grünen.
Meine Meinung:
Die Grünliberalen haben immer den Wechsel zur Zustimmungslösung («Nur-Ja-heisst Ja») gefordert, d.h. sexuelle Handlungen müssen strafbar sein, wenn sie ohne Zustimmung der anderen Person erfolgen. Nur so wird unseres Erachtens klar zum Ausdruck gebracht, dass Sexualität kein Gut ist, das man nutzen kann, solange niemand widerspricht. Leider konnten wir schlussendlich keine Mehrheit für die Umkehr des Systems gewinnen. Nichts ändern wird die aktuelle Reform daran, dass die Beweislage oft schwierig ist. Das wäre mit der Zustimmungslösung ebenfalls so gewesen. Befürworterinnen der Reform versprechen sich jedoch Veränderungen in der Befragung von Opfern – und hoffen auf eine gesellschaftliche Signalwirkung.
Hier das Votum dazu von Kollegin Judith Bellaiche.
Stimmrechtsalter 16
Der Nationalrat will 16- und 17-Jährigen das aktive Wahl- und Stimmrecht einräumen. Er am Montag beschlossen, die Arbeiten an diesem Projekt fortzusetzen. Seine staatspolitische Kommission muss nun eine Vorlage ausarbeiten, obwohl deren Mehrheit gegen das Stimmrechtsalter ab 16 ist.
Der Entscheid im Nationalrat fiel äussert knapp, mit 98 zu 93 Stimmen. Für die Senkung des Stimmrechtsalters von 18 auf 16 Jahre votierten wir und auch die SP, die Grünen und ein Teil der Mitte. Gegen die Vorlage waren der andere Teil der Mitte sowie die FDP und SVP.
Für die vorberatende Staatspolitische Kommission (SPK-N) war jedoch vor allem entscheidend, dass sich die Kantone gegen die Vorlage ausgesprochen hatten. Dies zeigte die Vernehmlassung zu einer von der Kommission ausgearbeiteten Verfassungsänderung. Von 25 Kantonen hätten sich 15 dagegen ausgesprochen, 7 Kantone dafür und 3 hätten sich enthalten. In mehreren Kantonen sei in den vergangen Jahren eine Senkung an der Urne zudem gescheitert, nur Glarus kenne das Stimmrechtsalter 16. Gegenargumente in der Debatte waren zum Beispiel auch, dass es nicht sinnvoll sei, eine Kategorie von Bürgerinnen und Bürgern zu schaffen, die zwar ihre Stimme abgeben, nicht aber in Ämter gewählt werden können. Ausserdem wäre die Festsetzung des Stimmrechtsalters bei 16 Jahren reine Willkür. Es sei es nicht angebracht, zwischen dem politischen und dem zivilen Mündigkeitsalter zu unterscheiden.
Meine Meinung:
Das politische Engagement junger Menschen ist markant gestiegen. Ausserdem sind sie häufig jene, die von politischen Entscheiden betroffen sind, etwa von einem Klima-Gesetz oder von der Ausgestaltung der Altersvorsorge. Es ist daher wichtig, dass die Jungen mitbestimmen können, wie ihre Zukunft aussieht. Politische Reife ist nicht eine Frage des Alters, sondern des politischen Engagements. Derzeit werden die Jungen aber von den Älteren an der Urne überstimmt. Wegen der demografischen Entwicklung liegt nämlich der Medianwert des Alters der Stimmberechtigten heute bei 57 Jahren. Das ist staatspolitisch bedenklich. Das Stimmrechtsalter 16 würde also der Alterung der Gesellschaft auch etwas entgegensetzen. Meine Kinder sind nun fast 16 und fast 18 Jahre alt. Ich traue Ihnen diese Mündigkeit absolut zu, zumindest nicht mehr oder weniger als vielen, die über 18 Jahre alt sind.
Panzer, Panzer, Panzer
Der Nationalrat will 25 stillgelegte Leopard-2-Panzer der Schweizer Armee ausmustern, aber nur, wenn die Panzer an den deutschen Hersteller zurückverkauft werden. Die Debatte war zuweilen emotional.
Insgesamt 96 Leopard-2-Kampfpanzer im Besitz der Schweizer Armee sind stillgelegt und eingelagert, 134 Panzer hat die Armee in Betrieb. 25 stillgelegte Panzer sollen nun ausser Dienst gestellt werden. Beantragt hatte die Ausmusterung die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates. Der Bundesrat war einverstanden und rechnete vor, dass der Bedarf der Schweiz trotz der Ausmusterung gedeckt sei.
Die Vorlage geht nun an den Ständerat. Sagt auch er Ja zur Ausmusterung, ist damit noch nichts besiegelt. Denn das letzte Wort zu einem Verkauf der Panzer hat die Landesregierung.
Im Februar hatten der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck und Verteidigungsminister Boris Pistorius in einem Brief an Amherd um den Rückverkauf eines Teils dieser stillgelegten Panzer gebeten. Diese sollten der deutschen Herstellerin Rheinmetall verkauft werden. Nach Angaben des Bundesrates versicherte Berlin, dass die Panzer nicht an die Ukraine gehen würden. Vielmehr würden sie in Deutschland oder anderen EU- oder Nato-Staaten bleiben und Lücken in den dortigen Beständen auffüllen.
Meine Meinung:
Es geht um ein Zeichen gegenüber Europa: Auch wir in der Schweiz sind bereit, mit Mitteln, die die Schweizer Armee nicht mehr benötigt, indirekt der Ukraine zu helfen. Das ist ein Signal an die Ukraine, aber auch und vor allem an Europa. Die Neutralität ist damit keinesfalls verletzt. Somit ist dies ein richtiger und wichtiger Schritt, den der Nationalrat hier beschlossen hat.
Zudem habe ich resp. die GLP-Fraktion folgende Vorstösse eingereicht:
- Postulat «Keine Versorgungslücken im Mobilfunk mehr!»
Watson, 15. Juni 2023: «Ausbau harzt» – GLP-Nationalrätin Katja Christ will keine Funklöcher mehr in der Schweiz - Motion «Zielkonzept grenzüberschreitender Personenfernverkehr: Angebot, Ausbau und Finanzierung, zwischenstaatliche Vereinbarungen»
Besuch im Bundeshaus
Neben arbeitsintensiver Tage blieb Zeit für einige Besuche, nicht nur von Claudia, Bülent und Johannes – meinem Team-GLP für die Nationalratswahlen 2023 – sondern auch von meinem Florian und meiner Tochter Chiara. Das habe ich natürlich ganz besonders genossen.
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