Schluss mit Papierabfallbergen: Opt-in- statt Opt-out für unadressierte Werbesendungen

Im Frühjahr 2020 habe ich die Motion «Schluss mit Papierabfallbergen. Opt-in- anstelle Opt-out-Lösung für unadressierte Werbesendungen» eingereicht. Mit dieser Motion möchte ich eigentlich eine Selbstverständlichkeit einführen: Werbung soll nur erhalten, wer dies auch möchte. Der Nationalrat nahm die Motion im März 2022 an, nun ist der Ständerat am Zug.

Ich möchte also die Umstellung von der aktuellen Opt-out- auf die Opt-in-Lösung. Diese Umstellung hätte zahlreiche positive Auswirkungen.

Es entspricht unserem Rechtssystem, sagen zu dürfen, dass man etwas will, und nicht, dass man etwas nicht will. Eine Umkehrung dieses Grundsatzes sollte nur erfolgen, falls damit höherwertige Interessen geschützt und höherwertige öffentliche Interessen geltend gemacht werden können, wenn zum Beispiel ein Leben gerettet werden kann. Werbung gehört jedoch definitiv nicht dazu.

Opt-in gilt schon bei E-Mail-Werbung

Vergleichen wir doch mal die gesetzliche Situation bei der postalischen Briefkastenwerbung mit der Werbung, die uns auf elektronischem Weg erreichen soll. Interessanterweise wird für die Zustellung elektronischer Werbesendungen, also per E-Mail, eine explizite Einwilligung verlangt. Weiter muss bei jedem E-Mail-Versand auf die jederzeitige Abmeldemöglichkeit hingewiesen werden. Die Nichteinhaltung dieser Vorschriften fällt unter die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Kann es denn sein, dass wir denselben Sachverhalt anders regeln, nur weil es über andere Kanäle abläuft? Es ist inhaltlich kein Unterschied, ob ich Werbung auf Papier oder in elektronischer Form erhalte. Jemand adressiert Werbung an mich, um mir etwas zu verkaufen. Wieso darf das mit Papier ungefragt erfolgen, während ich elektronisch eine explizite Einverständniserklärung brauche?

Papierabfallberge verhindern

Mit einer Opt-in-Lösung könnten zudem künftig unnötige Papierabfallberge vermieden werden. Unadressierte Werbung auf Papier landet nämlich auch in der Schweiz meistens ungelesen im Müll. Fast die Hälfte der Personen gibt an, die Werbung immer ungelesen ins Altpapier zu werfen. Nur gerade 10 Prozent schauen diese häufig an, wie eine Studie ergab.

Die Schweizerische Post alleine hat im Jahr 2018 gemäss eigenen Angaben 2,7 Milliarden Werbesendungen zugestellt, davon waren 1,6 Milliarden unadressierte Sendungen. Gemäss Schätzungen tragen die restlichen Direktwerbungs-Anbieter zusammen etwa die gleiche Anzahl an Werbematerial aus. Bei einem Gewicht von 40 Gramm pro Sendung landen so jährlich rund 128’000 Tonnen Papier in den Schweizer Briefkästen. Etwa 61’500 Tonnen davon landen postwendend in der Altpapiersammlung.
(vgl. https://www.nau.ch/amp/news/schweiz/schweiz-konnte-dank-werbung-kleber-tonnen-von-altpapier-sparen-65645244 )

Amsterdam hat bereits von einem Opt-out- zu einem Opt-in-System gewechselt und spart dadurch nach eigenen Angaben jährlich 6 000 Tonnen Müll.

Bundesrat ist gegen Opt-in

Der Bundesrat beantragte meine Motion zur Ablehnung. Seine Argumente kann ich nicht nachvollziehen. Er meint, in erster Linie bestehe das Problem in der Produktion der Werbesendungen und nicht in der Abwicklung der Zustellung. Das wäre dann die Frage nach dem Huhn und dem Ei: Gibt es zu viel Papierwerbung, und die muss verteilt werden, oder wird zu viel gedruckt, weil viel verteilt werden kann und folglich auch muss? Wir wissen aber alle, dass die Privatwirtschaft nachfrageorientiert produziert, weil nur das auch wirtschaftlich ist. Kann weniger verteilt werden, wird auch weniger produziert. Dieses Argument des Bundesrates kann ich also nicht gelten lassen.

Dann meint der Bundesrat, die heutige Widerspruchslösung sei eine einfache und zielführende Massnahme, um unerwünschte Werbesendungen zu reduzieren. Aber ich bin sicher, dass er mit mir einiggeht, dass es noch einfacher und noch zielführender wäre, wenn man erst gar keine Kleber anbringen müsste.

Der Bundesrat meint denn auch, das heutige Opt-out-Prinzip gelte seit mehreren Jahrzehnten und sei in der Bevölkerung gut bekannt und deshalb solle man dabei bleiben. Welchen Sinn hat denn unsere parlamentarische Arbeit, wenn der Bundesrat eine Neuerung mit dem Argument, dass etwas schon seit mehreren Jahrzehnten so gewesen sei, ablehnt?

Und zu guter Letzt noch das Argument, der Nutzen stehe in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem damit einhergehenden Aufwand: Es ist nicht meine Aufgabe, keinen Aufwand auf gesetzgeberischer Seite zu erzeugen, sondern eine Anpassung zu verlangen, wenn ich diese als richtig erachte.

Der Nationalrat unterstützt meine Motion

Der Nationalrat zeigte sich – entgegen der Empfehlung des Bunesrates – offen für diese sinnvolle Neuerung. Die Motion wurde am 17. März 2022 in der Frühlingssession dank den Stimmen der GLP, SP, Grünen und aus der Mitte-EVP-Fraktion angenommen. Nun ist der Ständerat am Zug.

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