Postfinance: zuerst Grundversorgung klären, dann privatisieren

Für mich ist klar, dass die Postfinance in einer langfristigen Perspektive privatisiert werden muss. Der Bund steht nicht in der Pflicht, Bankdienstleistungen anzubieten. Eine Privatisierung macht aber tatsächlich wenig Sinn, solange nicht klar ist, wie die Grundversorgung ausgestaltet werden soll. Der Expertenbericht zeigt eindrücklich auf, welche tiefgreifenden Diskussionen in Bezug auf die Revision des Postgesetzes (PG) und eine allfällige Neudefinition des Grundversorgungsauftrags auf uns zukommen. Das kann also noch dauern.



Der Bundesrat sieht das genauso, aber anstatt die breite Diskussion gesamthaft zu führen und die beiden Gesetzesgrundlagen gleichzeitig vorzulegen, schlägt er vor, das Postorganisationsgesezt (POG) vorzuziehen, also der Postfinance bereits das Kredit- und Hypothekenvergaberecht zu geben und die Privatisierung – wie wir in Basel zu sagen pflegen – «wie die alte Fasnacht» erst später an die Hand zu nehmen. Ein zeitliches Auseinanderklaffen zwischen Kreditvergaberecht und Privatisierung umgeht aber die berechtigte Forderung, das eine nicht ohne das andere zu tun, um eine Wettbewerbsverzerrung zu verhindern. Es darf keine staatliche Konkurrenzierung der Privatwirtschaft innerhalb eines funktionierenden Marktes geben. Wir wollen gleich lange Spiesse für alle auf dem Markt. Das ist sonst ordnungspolitisch nicht tragbar und nicht im langfristigen öffentlichen Interesse.

Grund für den Vorschlag eines zeitversetzten Vorgehens bei Kreditvergaberecht und Privatisierung ist natürlich auch die Tatsache, dass die Postfinance mit dem Kreditvergaberecht ihren eigenen Verkaufswert steigern kann. Die Vorlage bestimmt also ganz bewusst die Reihenfolge: Das Unternehmen soll zunächst fit gemacht werden, bevor man es privatisiert.

Zuerst Ausgestaltung der Grundversorgung klären

Es leuchtet ein, dass ein gesetzlich vorgegebener Verkaufszeitpunkt keine Rücksicht auf die Wirtschaftslage nehmen würde und die Verkaufsoptionen schwächen könnte. Dieses Problem müsste jedoch anders gelöst werden. Die Zukunft des ganzen Postkonzerns muss unseres Erachtens gesamtheitlich betrachtet werden, und es muss zuerst eine grundlegende Diskussion über die Ausgestaltung und Finanzierung der Grundversorgung der Post geführt werden. Zudem ist es ordnungspolitisch definitiv falsch, der Postfinance die Vergabe von Krediten und Hypotheken zu erlauben, solange sie im Besitz der Post und damit indirekt des Bundes ist.

Demnach sind wir Grünliberalen auf die Vorlage nicht eingetreten. Damit ist die Sachlage klar und man kann die Revisionen des Postgesetzes (PG) und des Postorganisationsgesetzes (POG) neu aufgleisen und zusammenführen. Das erlaubt der Post, sich beispielsweise in Bezug auf die Eigenkapitalforderungen rasch neu zu organisieren. Schliesslich pflegte schon Robert Burns zu sagen: «Die Ungewissheit ist schlimmer als die Enttäuschung.»

Dabei darf jedoch dieses «Nichteintreten» keinesfalls falsch verstanden und interpretiert werden, denn es hat primär nichts mit der grundlegenden Haltung zu einer allfälligen Privatisierung zu tun. Bundesrätin Sommaruga hat in der zuvor geführten Debatte im Ständerat ausgeführt, dass es dem Bundesrat klar gewesen sei, dass die Vorschläge nicht auf grosse Gegenliebe stossen würden, weil die einen nicht wollten, dass die Postfinance Kredite und Hypothekarkredite vergeben kann, andere die Privatisierung der Postfinance nicht wollten und nochmals andere beides nicht wollten und weil eine Privatisierung der Postfinance im Moment in der Bevölkerung ohnehin nicht wirklich grosse Akzeptanz hätte. Aber ich möchte an dieser Stelle klar festhalten, dass der Hauptkritikpunkt an dieser Gesetzesvorlage im zeitlichen Auseinanderklaffen zwischen Kreditvergaberecht und Privatisierung liegt und nicht am Auseinanderklaffen der verschiedenen Haltungen zu Privatisierung und Kreditvergabe.

Ein Nichteintreten heute heisst nämlich keinesfalls, dass wir KEINE Privatisierung oder KEIN Kreditvergaberecht wollen. Falls eine solche Interpretation weitergetragen würde, müsste ich dem Bundesrat unterstellen, dass er ganz grundsätzlich Unwillens ist, die Postfinance langfristig zu privatisieren, und deshalb eine untaugliche Vorlage zu einem unpassenden Zeitpunkt vorgelegt hat, welche ein Nichteintreten provoziert und somit einer echten Diskussion über eine allfällige Privatisierung der Postfinance für die nächsten Jahre keine Chance gibt. Wir sollten ganz im Gegenteil nun aufs Gas drücken. Das ist im aktuellen energiepolitischen Kontext natürlich eine unangebrachte Redewendung, aber wir sollten keine Zeit verlieren, alle Aspekte gesamthaft zu diskutieren. Und mit ALLE meine ich die Grundversorgung UND auch Privatisierung!


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