Die Temperaturen sind eisig – draussen und drinnen – und das Bundeshaus erstrahlt im winterlichen Glanz. Im Bundeshaus ging es in den letzten Wochen jedoch alles andere als besinnlich zu. Die Wintersession 2024 stand ganz im Zeichen von hitzigen Debatten (jeder Schneemann hätte dabei sofort das Zeitliche gesegnet …), zukunftsweisenden Entscheidungen und spannenden sowie einmaligen persönlichen Momenten.
Endlich weiss ich auch, dass ein Protokollchef nicht das ist, nach was es tönt, sondern dass dieser Herr im Bundeshaus dafür sorgt, dass hier alles nach «Protokoll» abläuft, streng … aber durchaus gerecht.
Wie immer war die Mischung aus Herausforderungen und Erfolgen bezeichnend: von knallharten Verhandlungen um Zahlen bis hin zu inspirierenden, zukunftsweisenden Entscheiden. Die Session war wie üblich voller Überraschungen, oft zäh, aber immer spannend und natürlich im Dezember auch immer im Zeichen der jährlichen präsidialen Wechsel und der damit einhergehenden Feiern aller Art und an diversen Orten der Schweiz.
Für einen umfassenden Überblick empfehle ich Euch zusätzlich die Nachlese im Liveticker von SRF.
Ein (persönlicher) Meilenstein: Wahl zur 2. Vizepräsidentin
Die Wahl zur 2. Vizepräsidentin des Nationalrates war ein einmaliger Moment für mich in dieser Session mit Bedeutung natürlich weit darüber hinaus. Dieses Amt ist nicht nur eine große Ehre, sondern auch eine bedeutende Verantwortung, die ich mit Stolz und Demut annehme. Sollte alles nach Plan verlaufen, werde ich im Dezember 2026 als Präsidentin des Nationalrates – als «höchste Schweizerin» – amtieren, eine Aufgabe, die viel Fingerspitzengefühl und Diplomatie erfordert. Es wäre dann auch 60 Jahre her, dass der Kanton Basel-Stadt das Nationalratspräsidium stellen durfte.
Zudem werde ich in mehrfacher Hinsicht «Geschichte» schreiben: Erste Grünliberale im Nationalratspräsidium, erste Nationalratspräsidentin aus dem Kanton Basel-Stadt (davor waren es ausschliesslich Herren), erste Nationalratsprädentin meiner Gemeinde Riehen.
Ich freue mich darauf, nicht nur die parlamentarischen Sitzungen zu leiten, sondern auch die Schweiz national und international zu repräsentieren. Eine weitere Tür hat sich mir geöffnet und ich bin hindurch gegangen. Glücklicherweise weiss man ja am Start eines Weges nicht immer, was dieser so mit sich bringt … !
Medienberichterstattung u.a. bei Primenews «Nationalrat wählte Katja Christ zur zweiten Vizepräsidentin» und Onlinereports «Katja Christ wird im Wahljahr höchste Schweizerin»
Budgetdebatte – Sparen, aber wie?
Die Budgetdebatte stand im Mittelpunkt dieser Session. Nach der Präsentation des Expertenberichts Gaillard im Herbst 2024 zur Eindämmung des strukturellen Defizits waren die Diskussionen hitzig und intensiv. Einsparungen sollten querbeet vorgenommen werden – von Sozialleistungen bis hin zu Verkehrsinvestitionen. Das passende Wort dazu heisst «Opfersymmetrie».
Die GLP betont: Sparen ist wichtig, aber nicht auf Kosten der Zukunft. Besonders bei Bildung, Forschung, Innovation und Klimaschutz ist zu viel Zurückhaltung heute für morgen kontraproduktiv. Denn gezielte Investitionen in diese Bereiche auch in Zeiten knapper Kassen sichern die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. Mein persönliches Motto dazu: «Wer heut nicht investiert, wird morgen nicht ernten.» Schlussendlich konnte nach einem dreiwöchigen Hickhack zwischen National- und Ständerat endlich ein Budget gezimmert werden. Wahrscheinlich ist niemand glücklich damit. Aber Budget ist Budget. Wir werden sehen … ! Willst Du ein paar Details dazu dann kannst Du Dich hier vertieft darüber informieren: SRF «Mehr Geld für Armee und Bauern – aber die Rechnung geht nicht auf»
Nachtzüge – Gesetzlich verankerte Nachhaltigkeit darf nicht auf der Strecke bleiben
Seit Jahren kämpfe ich gemeinsam mit anderen im und ausserhalb des Parlaments für die Stärkung internationaler Nachtzugverbindungen, endlich auch wieder vermehrt aus der Schweiz, insbesondere Richtung Süden und Westen. Diese bieten eine umweltfreundliche Alternative zum innereuropäischen Flugverkehr und sind zentral für den Umstieg vom Flug auf den Zug. Fast sämtliche Tagverbindungen sind gegenüber dem Flug bezüglich Zeitverlust nicht konkurrenzfähig. Gegenüber dem «Reisen während man schläft» hat sogar der Flug das Nachsehen.
Die aktuelle Planung des Bundesrates, die dafür vorgesehenen 30 Millionen Franken zu streichen, wäre ein schwerer Rückschlag gewesen. Meine dazu eingereichte Interpellation in der Herbstsession hat diese Problematik aufgegriffen und zentrale Fragen gestellt, denn die Förderung ist mehr als eine Subvention – sie ist eine Investition in die Zukunft der Mobilität und in die Beziehungen zu unseren europäischen Nachbarn. Dank des Engagements vieler konnte verhindert werden, dass die geplanten Kürzungen vollständig umgesetzt werden. Man konnte ein Kompromiss finden und ich hoffe sehr, dass künftig auch Nachtzüge Richtung Süden und Westen ein fester Bestandteil unserer Verkehrspolitik werden.
Medienberichterstattung im Blick «Bundesrat tritt beim Nachtzug auf die Bremse» und Tagesanzeiger «Nachtzug-Fans dürfen wieder hoffen»
Armeebudget – Sicherheit versus Prioritäten
Die geplante Erhöhung des Armeebudgets um 4 Milliarden Franken sorgte für intensive und kontroverse Debatten schon lange vor der Session. Befürworter der Budgeterhöhung, insbesondere aus der SVP und Teilen der FDP, argumentierten, dass die angespannte geopolitische Lage, ausgelöst durch den Ukraine-Krieg, eine stärkere Aufrüstung zwingend notwendig mache. Die zusätzlichen Mittel sollen unter anderem in die Modernisierung der Ausrüstung und die Verbesserung der Cyberabwehr fließen.
Die GLP stellte jedoch infrage, ob diese massive Erhöhung angesichts anderer dringender Herausforderungen gerechtfertigt ist. Wir argumentierten, dass eine kluge Sicherheitspolitik auch Investitionen in die Sicherheitsarchitektur Europas, gesellschaftliche Stabilität und Nachhaltigkeit erfordert. Die Debatte drehte sich nicht nur um den Nutzen der Mehrausgaben, sondern auch darum, wie diese finanziert werden sollen – insbesondere vor dem Hintergrund des strukturellen Defizits des Bundeshaushalts. Ein weiterer Kritikpunkt war die mangelnde Transparenz bei der Priorisierung der Mittel. Wir forderten eine detaillierte Überprüfung, ob die geplanten Ausgaben tatsächlich die dringendsten Sicherheitsbedürfnisse adressieren, oder ob sie teilweise in überdimensionierte Projekte fließen könnten.
Der Beschluss zur Erhöhung des Armeebudgets zeigt, wie komplex die Abwägung zwischen klassischer Verteidigungspolitik und anderen sicherheitsrelevanten Themen ist. Die GLP wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass auch in sicherheitspolitischen Fragen eine langfristige und nachhaltige Perspektive eingenommen wird, die alle Facetten von Sicherheit berücksichtigt.
Internationale Entwicklungszusammenarbeit – Verantwortung zeigen
Die Zukunft der internationalen Entwicklungszusammenarbeit war ein zentrales Thema. Dabei ging es um die Frage, wie die Schweiz ihre Mittel effizient einsetzen und gleichzeitig ihrer globalen Verantwortung gerecht werden kann.
Die GLP plädiert für eine nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit, die auf Bildung, Gesundheit und Klimaschutz fokussiert. Diese Bereiche sind zentral, um stabile Strukturen in Partnerländern aufzubauen. Investitionen in die Entwicklungszusammenarbeit sind auch im Interesse der Schweiz: Sie fördern eine stabile internationale Ordnung und mindern globale Risiken. Ein Kahlschlag wie es zu Beginn der Session auf den Tischen lag, wäre verheerend gewesen. Wir haben erfolgreich dagegen angekämpft und auch hier einen akzeptablen Kompromiss gefunden.
Lex Gerlafingen – Staatshilfe für Stahl- und Aluminiumindustrie
Der Nationalrat hat für die wirtschaftlich angeschlagene Stahl- und Aluminiumindustrie Überbrückungshilfen beschlossen. Von dieser «Lex Gerlafingen» könnten Unternehmen wie Stahl Gerlafingen, Swiss Steel in Emmenbrücke und die Walliser Aluminiumgießerei Novelis profitieren. Die Unterstützung ist jedoch an strenge Bedingungen geknüpft, darunter Standortgarantien, nachhaltige Investitionen, Transparenz und ein Verzicht auf Dividenden. Bei Nichteinhaltung müssen die betroffenen Gelder zurückgezahlt werden.
Die Mehrheit der Parlamentarier – vor allem aus SP, Mitte und Grünen – betonte die ökologische Bedeutung von Schweizer Stahl und seine Rolle in der Kreislaufwirtschaft. Kritiker aus SVP, FDP und auch der GLP lehnten die Unterstützung mit der Argumentation ab, dass keine Industriepolitik für einzelne Branchen betrieben werden sollte und diese Sonderregelung zudem verfassungswidrig sei. GLP-Nationalrat Martin Bäumle warnte, dass mit der Sonderklausel ein Präzedenzfall geschaffen werde und diese Unternehmen keine Systemrelevanz hätten. Energieminister Albert Rösti meint jedoch, dass eine gesetzliche Regelung der Staatshilfe besser sei als Notrecht. Naja … wir werden sehen.
Meine eingereichten Vorstöße
Postulat: Quantencomputing und Innovation
Quantencomputing birgt enormes Potenzial. Mit meinem Postulat «Quantencomputing: Positionierung der Schweiz als führender Standort für Quantencomputing und Innovation» fordere ich eine nationale Strategie, um die Schweiz als führenden Standort in diesem Bereich zu etablieren. Es ist wichtig, dass wir in Zeiten, in welchen Innovationen oft risikobasiert betrachtet werden, wir die Chancen beleuchten und diesen Flügel verleihen.
regioTVplus hat das Thema beleuchtet, mit meinem Auftritt ab 4:10 Minuten:
Weitere Berichterstattung in der BZ Basel: «Baselbieter Quantencomputer wirft hohe Wellen: Bundesrat soll nationale Quantenstrategie vorlegen»
Postulat: Kostennutzenanalyse Erasmus+
Bildung ist der Schlüssel zur Zukunft. Mit meinem Postulat «Kostennutzenanalyse einer Assoziierung der Schweiz an Erasmus+ im Vergleich zum Schweizer Programm Movetia» fordere ich eine umfassende Analyse der Kosten und Nutzen einer erneuten Assoziierung der Schweiz an Erasmus+ im Vergleich zu Movetia. Erasmus+ wird oft auf den Studierendenaustausch reduziert, doch das Programm bietet weit mehr. Es ist ein zentraler Mechanismus für den Aufbau strategischer Partnerschaften, den Zugang zu innovativen Projekten und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit – kurz: die Integration in die europäische Bildungslandschaft. Die Teilnahme an diesem Programm ist nicht nur ein Symbol für unsere Offenheit, sondern eine strategische Notwendigkeit, um die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Schweiz langfristig zu sichern.
Nau hat darüber berichtet: «Katja Christ (GLP): Schweiz muss bei Erasmus+ dabei sein»
Schlusswort
Die Wintersession war intensiv und richtungsweisend. Die Budgetdebatte hat einmal mehr verdeutlicht, wie schwierig es ist, eine ausgewogene Balance zwischen Sparen und Investieren zu finden. Der Ton im Bundeshaus wird spürbar rauer, die Debatten mitunter gehässiger, und die politischen Fronten klarer gezogen. Dennoch ist es uns gelungen, trotz aller Differenzen einen tragfähigen Kompromiss zu schmieden und ein Budget für das kommende Jahr zu verabschieden.
Das ist keineswegs selbstverständlich und verdient Anerkennung. Es zeigt, dass unser demokratisches System auch in schwierigen Zeiten funktioniert. Ich bin stolz darauf, in einer Demokratie zu leben, in der der Dialog, auch wenn er hitzig wird, am Ende zu Lösungen führt – Lösungen, die das Land voranbringen.
Ich danke Euch allen für Eure Unterstützung und wünsche frohe Festtage und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Stay tuned – 2025 wird garantiert nicht langweilig!