Bericht zur Wintersession 2022

Heieiei … also normalerweise sind Geschenke und Überraschungen zur Weihnachtszeit keine Seltenheit und auch grundsätzlich gerne gesehen. Aber eine solche Überraschung hätte mir echt gestohlen bleiben können. Was eigentlich hat sich das Bundesparlament dabei gedacht? Ganz genau! Ich rede von den Bundesratsersatzwahlen. Das war schlicht ein Desaster. Punkt!

Natürlich könnt ihr mir entgegenhalten, dass ich mit dem Basler Tunnelblick unterwegs bin und auch eine Vertretung aus dem ländlichen Jura unser Land gut vertreten kann. Aber darum geht es gar nicht. Abgesehen davon, dass ich überzeugt bin, dass unsere Eva dieses hohe Amt mit dem notwendigen Durchsetzungsvermögen sowie der geforderten Hartnäckigkeit und Zielstrebigkeit bereichert hätte (und solche Attribute sind ein Gewinn und keine Bedrohung und werden bei Männern übrigens durchgehend als Pluspunkte betrachtet …), wäre sie sogar bei einer Wahl eine ziemlich einsame Vertreterin der urbanen Schweiz im 7-er Gremium gewesen. Und nicht nur das, sondern auch die Sichtweise einer wirtschaftsstarken Grenzregion wäre durchaus als Gewinn zu betrachten gewesen.

Aber es kam anders. Da bringt es nun leider nichts, sich im Unglück zu suhlen und sich zu fragen, was alles schiefgelaufen ist. Es gilt die Tränen abzuwischen, aufzustehen, die Krone zu richten und weiterzugehen. Die negativen Energien müssen wir nun in positive umwandeln und nun erst recht Vollgas geben. Die urbane Schweiz, die Wirtschaftszentren, die Grenzregionen – sie alle brauchen nun umso mehr eine starke Stimme in Bern. Ich gebe Vollgas und habe auch bereits einige Pflöcke eingeschlagen.

Natürlich gab es in der Wintersession auch ein paar andere wichtige Geschäfte, die wir debattiert und beraten haben. Zudem konnte ich auch einen Zwischenerfolg verbuchen: Meine Forderung nach einem Verbot von Konversionstherapien für Minderjährige, welche von der Rechtskommission aufgenommen wurde, fand im Nationalrat eine komfortable Mehrheit. Nun gilt es aber noch, den Ständerat auch davon zu überzeugen.

Wie immer waren es zahlreiche Geschäfte und wie immer kann ich Euch nur eine Auswahl davon präsentieren. Hier ist sie:

Meine Auswahl der prägenden Geschäfte des Nationalrats in der Wintersession 2022

«Nein heisst Nein» oder «Nur Ja heisst Ja»?

Wer jemanden gegen seinen Willen zum Geschlechtsverkehr zwingt, soll in jedem Fall wegen Vergewaltigung bestraft werden, auch wenn keine «Gewalt» im Spiel gewesen ist. Jeder Geschlechtsverkehr, in den nicht beide ausdrücklich eingewilligt haben, soll als Vergewaltigung gelten – nach dem Motto: «Nur Ja heisst Ja». Der Nationalrat hat entschieden und will, dass künftig für sexuelle Handlungen explizit die Zustimmung gegeben werden muss. Er stellt sich damit gegen die vom Ständerat favorisierte Widerspruchslösung «Nein heisst Nein». Das Geschäft geht nun wieder zurück in den Ständerat.

Meine Meinung:

Einleitend muss festgehalten werden, dass das Resultat der Revision ungeachtet des Ausgangs über Zustimmungs- resp. Widerspruchslösung ein grosser Fortschritt darstellt. Neu wird eine Vergewaltigung als solche anerkannt, ohne eine Nötigung vorauszusetzen. Es reicht, dass sich ein/e Täter/in über den Willen des Opfers hinwegsetzt. Diese Neuerung ist ein eigentlicher Durchbruch und ist unbestritten. Auch dass ein Vergewaltigungsopfer neu männlichen Geschlechts sein kann, ist neu und unbestritten.

Umstritten ist jedoch, wie der fehlende Wille des Opfers definiert wird: wird eine ausdrückliche oder stillschweigende Ablehnung vorausgesetzt, oder reicht eine fehlende ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung aus. Rechtsdogmatisch macht das keinen Unterschied – das wurde von Rechtsgelehrten, Staatsanwältinnen und Verteidigerinnen bestätigt. Nach wie vor muss dem Täter, der Täterin einen Vorsatz nachgewiesen werden. Die Schwierigkeit liegt an der Beweisbarkeit in einem Vieraugendelikt. Es gilt Aussage gegen Aussage, ungeachtet dessen, ob ein Opfer Nein oder nicht Ja gesagt hat.

Die Zustimmungslösung führt nicht zur Beweislastumkehr, und das wäre auch nicht gewollt. Aus diesem Grund ist es unwahrscheinlich, dass es alleine durch die Zustimmungslösung künftig zu viel mehr Verurteilungen kommt. Mit der Zustimmungslösung wird jedoch der Grundsatz festgehalten, dass jeder Mensch ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung hat, und diese ausdrücklich oder stillschweigend geäussert werden muss. Das Sexualstrafrecht basiert nämlich auf dem Grundsatz, dass eine Frau für einen sexuellen Akt «zur Verfügung steht» resp. willig ist, solange sie nicht widerspricht. Diese Ansicht ist komplett überholt und findet in der Gesellschaft keinen Rückhalt mehr. Kein anderes Rechtsgut wird so schlecht geschützt wie die sexuelle Selbstbestimmung – niemand würde beispielsweise davon ausgehen, dass Eigentum zur Übernahme zur Verfügung steht, solange der aktuelle Eigentümer sich nicht wehrt.

Die Zustimmungslösung verankert das Selbstverständnis, dass die sexuelle Integrität eigenständig zu schützen ist, auch wenn kein Widerspruch vorliegt. Absolut richtig!


OECD-Steuerreform: Wer erhält die zusätzlichen Steuereinnahmen?

Im Zentrum der OECD/G20-Steuerreform steht eine Mindestbesteuerung von 15 Prozent für alle Unternehmen mit einem Umsatz über 750 Millionen Euro im Jahr. Betroffen von der Reform sind laut dem Bundesrat in der Schweiz rund 2’000 Unternehmen. Nicht unter die neue Regelung fallen 600’000 rein national tätige KMU. Der Bundesrat will die neuen Regeln mit einer Ergänzungssteuer umsetzen. Dazu braucht es eine Verfassungsänderung, über die Volk und Stände voraussichtlich im Frühsommer 2023 abstimmen werden. Auf dieser Verfassungsbasis soll ab 2024 die OECD-Steuerreform in der Schweiz umgesetzt werden.

Im Grundsatz befürworteten zwar im Parlament alle Fraktionen die Umsetzung der OECD-Steuerreform. Die Bürgerlichen argumentierten, dass sich die Schweiz den neuen Regeln nicht entziehen könne – auch wenn diese für das Land nachteilig seien. Bei einer Nichtumsetzung in der Schweiz würden einfach andere Staaten die zusätzlichen Steuern erheben. Die Linke begrüsste aus prinzipiellen Überlegungen die Eindämmung des internationalen Steuerwettbewerbs.

Dennoch ist ein kontroverser Abstimmungskampf mit offenem Ausgang zu erwarten. SP und Grüne sind unzufrieden mit der Verteilung der Erträge aus der geplanten Ergänzungssteuer. Sie haben angekündigt, die Vorlage darum zu bekämpfen. Vorgesehen ist, 75 Prozent der Erträge den Standortkantonen der betroffenen Unternehmen zukommen zu lassen, 25 Prozent dem Bund. Die Linke kritisiert diesen Bundesanteil als zu tief. Dadurch gehe die Schere zwischen Hoch- und Tiefsteuerkantonen weiter auf. Die breite Bevölkerung profitiere nicht von dem Geld. Im Nationalrat hatte ursprünglich ein Vorschlag der WAK-N eine Mehrheit gefunden. Dieser wollte den Bundesanteil bei 50 Prozent festsetzen. Diese Lösung scheiterte aber am Widerstand des Ständerats. In der kleinen Kammer wurde insbesondere argumentiert, dass die Standortkantone durch die höheren Unternehmenssteuern Wettbewerbsnachteile hätten. Diese müssten sie durch Massnahmen zur Förderung der Standortattraktivität ausgleichen können, wozu finanzielle Mittel nötig seien.

Meine Meinung:

Ich habe mich klar hinter die Lösung 75/25 zu Gunsten der betroffenen Kantone ohne Begrenzung der Einnahmen pro Kopf gestellt. Kantone, Bundesrat, Ständerat sowie die Wirtschaftsverbände waren ebenfalls dieser Meinung. Die Sache ist nicht ganz einfach zu verstehen, aber dennoch versuche ich kurz meinen Standpunkt zu erklären: Systematisch ist es nämlich der nationale Finanzausgleich (NFA), der für eine faire Einnahmenverteilung zwischen den Kantonen sorgt. Die Standortkantone benötigen Mittel für den Erhalt ihrer Wettbewerbsfähigkeit, denn sie sind hauptsächlich für die Standortmassnahmen zuständig. Die Universität, Fachhochschulen und die nötigen öffentlichen Infrastrukturen für die zahlreichen Arbeitsplätze werden von den Standortkantonen finanziert. Davon profitieren auch die Bundesfinanzen (Steuererträge) und die Nehmerkantone (Nationaler Finanzausgleich NFA). Mehr als 60 % der Unternehmenssteuereinnahmen des Bundes stammen aus nur gerade 5 Kantonen (VD, ZH, GE, ZG, BS). Werden den Standortkantonen die nötigen Mittel entzogen, so sind die Steuererträge von Unternehmen an den Bund gefährdet – es drohen Minder- statt Mehreinnahmen. Ein zu hoher Bundesanteil schafft Anreize, damit die Kantone selbst Massnahmen ergreifen, um den Fluss von Einnahmen an den Bund zu verhindern. Sie können die Steuersätze selbst anpassen und die Erträge des Bundes aus der Ergänzungssteuer reduzieren.


Verbot von Konversionstherapien bei Minderjährigen und jungen Erwachsenen

Der Nationalrat will minderjährige und junge LGBTQ-Menschen vor so genannten Konversions- oder Heilungsmassnahmen schützen. Methoden, die zur Umpolung der Geschlechtsidentität oder auch zu deren Unterdrückung führen sollen, will er per Gesetz mit national einheitlichen Bestimmungen verbieten. Der Nationalrat unterstützte mit 143 zu 37 Stimmen bei 11 Enthaltungen eine Motion seiner Rechtskommission, die vom Bundesrat die Schaffung einer entsprechende Strafnorm verlangt.

Auch das Werben für Konversionsmassnahmen, die Vermittlung und das Anbieten solcher Massnahmen sollen verboten werden. Nicht unter das Verbot fallen sollen aber begleitete Auseinandersetzungen mit der eigenen sexuellen Orientierung, medizinisch indizierte Massnahmen zur Geschlechtsangleichung und Therapien für Sexualpräferenzen, wenn diese strafrechtlich relevant sind. Gemeint sind hier Exhibitionismus und Pädosexualität. Die Motion geht nun an den Ständerat.

Meine Meinung:

Es ist erwiesen, dass Homo- und Bisexualität ebenso wenig wie die Geschlechtsidentität durch therapeutische Eingriffe verändert werden können. Entsprechende Versuche haben keine Aussicht auf Erfolg, führen bei den Betroffenen jedoch zu hohem Leidensdruck. Konversionsbehandlungen vermitteln den Betroffenen ein Gefühl der Minderwertigkeit und können Ängste, Depressionen und Suizidgedanken auslösen und verstärken. Kinder und Jugendliche sind durch sie besonders gefährdet. Es gibt im geltenden Recht somit keine Handhabe gegen pseudowissenschaftliche Therapeutinnen und Therapeuten, selbsternannte Heilerinnen und Heiler oder konservative Geistliche, die ausserhalb des Rahmens der bewilligungspflichtigen Berufe Konversionsbehandlungen an Minderjährigen durchführen. Erst wenn ihre Übergriffe Straftatbestände wie Körperverletzung, Erpressung oder Nötigung erfüllen, kann gegen sie vorgegangen werden. Die heutigen Rechtsgrundlagen genügen daher nicht, um Kinder und Jugendliche vor schädlichen Konversionsbehandlungen zu schützen, mit denen ihnen weisgemacht wird, sie seien krank, ihre Gefühle seien falsch und ein wichtiger Teil ihrer Persönlichkeit sei abstossend und widernatürlich. Da ich eine solche Regelung ja selbst angestossen habe, bin ich natürlich sehr glücklich, dass der Nationalrat JA gesagt hat.


Initiative für eine 13. AHV-Rente

Der Nationalrat sagt Nein zur Initiative «Für ein besseres Leben im Alter». Er hat das Volksbegehren für einen Rentenzuschlag im Umfang einer 13. AHV-Rente am Mittwoch mit 123 zu 67 Stimmen ohne Enthaltungen abgelehnt. Mit dem Nein setzte sich die bürgerliche Mehrheit in der grossen Kammer durch. Wie der Bundesrat beurteilte sie die Mehrkosten des Vorhabens als nicht tragbar. Die Linke argumentierte dagegen, angesichts sinkender Pensionskassenrenten und steigender Krankenkassenprämien hätten viele Rentnerinnen und Rentner immer weniger zum Leben. Dem Entscheid über die Initiative des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) ging eine fast sechsstündige Debatte voraus. Das Geschäft geht an den Ständerat.

Meine Meinung:

Die Unterstützung der Initiative ist meiner Meinung nach keine Option, da diese zu einem Ausbau am falschen Ort führt: zwar werden auch die ärmsten Rentenhaushalte entlastet, da aber die grossen Beträge (also 4,5 der total 5 Mia zusätzlichem Finanzierungsbedarf) zu den reichen Rentenhaushalten gehen, ist es in der Substanz nichts anderes als eine Umverteilung von der erwerbstätigen Bevölkerung zu den Rentenbeziehenden.


Tierquälerischer Welpenhandel

Bund und Kantone sollen den Kampf gegen tierquälerischen Welpenhandel verstärken. Das Parlament verlangt verbindliche Regelungen, um den Daten- und Informationsaustausch mit ausländischen Behörden sicherzustellen. Nach dem Nationalrat hat nun auch der Ständerat Ja gesagt. Die Datenübermittlung ist wohl heute nur mit einem Amtshilfegesuch an die Schweiz möglich. Das ist umständlich und viel zu langwierig, um rasch gegen fehlbare Hundehändler aktiv zu werden. Der Bundesrat war mit dem Vorstoss einverstanden.

Meine Meinung:

Im März 2022 hatte ich ebenfalls mit einer Interpellation auf das Thema mit Fragen an den Bundesrat aufmerksam gemacht. Ich bin deshalb sehr froh, dass es in dieser Sache vorwärts geht.

Zudem habe ich resp. die GLP-Fraktion folgende Vorstösse eingereicht:

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