Rückblick Herbstsession 2024

Die Temperaturen sinken, die Blätter fallen, die Herbstsession ist zu Ende. Hier deshalb meine persönlichen Eindrücke vor und hinter der Kulisse aus drei intensiven Wochen im Bundeshaus.

Für einen kurzen und ganzheitlichen (nicht persönlich gefärbten) Überblick über die Session empfehle ich Euch zusätzlich auch die Lektüre des Live-Tickers von SRF.

Bereits in der Sommersession habe ich Euch gesagt, dass das Thema «GELD» ziemlich allgegenwärtig war. In dieser Session ist es aber noch viel schlimmer. Auch wenn man immer denkt «schlimmer, geht nimmer …».

Die Session startete mit dem runden Tisch im Bernerhof neben dem Bundeshaus. Der Bundesrat, resp. die Finanzministerin hat dazu eingeladen. Es ging um die Präsentation des Expertenberichts Gaillard. Der Bericht schlug massive Einsparungen vor, um das strukturelle Defizit des Bundeshaushalts zu senken. Dabei wurde Sparen in allen Bereichen vorgeschlagen – von Sozialleistungen bis hin zu Verkehrsinvestitionen. Dies sei notwendig, um die finanzielle Stabilität des Landes zu gewährleisten.

Ich kann Euch sagen, nach diesem Kaltstart in die Session hatte ich bereits Gliederschmerzen, die man wohl kaum noch symptomatisch bezwingen konnte. Auch ich bin für einen ausgeglichenen Haushalt, aber der Satz «heute sparen und morgen nicht leiden» greift für mich zu kurz. Ich entgegne dem entschlossen: «Heute nicht investieren und morgen nicht ernten». Wie wollen wir denn heute die Zukunft der Schweiz gestalten und wo lohnt sich (auch finanziell) eine grössere Investition heute anstatt den Rotstift anzusetzen? Diese politische Würdigung hat komplett gefehlt und braucht dringend eine nachgelagerte politische Debatte.

Weitere Berichterstattung zum Thema vom Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) und vom VBS.


4 Milliarden für die Armee: Ein Fass ohne Boden?

Eines der kontroversesten Themen dieser Session war zweifellos die Diskussion um die Erhöhung des Armeebudgets um 4 Milliarden Franken. Der Nationalrat folgte dabei dem Ständerat und hob den Zahlungsrahmen für die Armee auf fast 30 Milliarden Franken für die Jahre 2025 bis 2028 an. Diese Entscheidung war geprägt von hitzigen Debatten über die Notwendigkeit und die Art und Weise, wie diese Mehrausgaben finanziert werden sollen. Während einige das Argument der nationalen Sicherheit ins Feld führten, war für andere klar, dass diese Gelder sinnvoller in Bildung und soziale Sicherheit investiert wären. Die Tatsache, dass die Mehrausgaben mit Einsparungen an anderen Stellen kompensiert werden sollen, lässt bereits jetzt Konflikte für die kommenden Budgetrunden erahnen.

Die GLP Schweiz kritisiert starke Kürzungen bei Entwicklungszusammenarbeit zugunsten der Armee.

Weitere Berichterstattung zum Thema vom Schweizer Radio und Fernsehen (SRF): Wofür sich die Schweiz wappnen soll – und wie schnell und Es droht eine finanzpolitische Blockade


Debatte zur BFI-Botschaft (Bildung-Forschung-Innovation)

Alle 4 Jahre wird die «Botschaft für Bildung, Forschung und Innovation» beraten und beschlossen. Was ist das fragt ihr Euch? Ich habe es Euch in meinem letzten Sessionsrückblick bereits erklärt und wiederhole es grad gerne nochmals:

«Die Botschaft für Bildung, Forschung und Innovation der Schweiz legt die strategischen Ziele und finanziellen Rahmenbedingungen für diese Bereiche fest, um die Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltige Entwicklung des Landes zu fördern. Sie definiert konkrete Programme und Budgetzuweisungen, um die Qualität der Bildung und die Innovationskraft der Forschung zu stärken.»

Verstanden? Auch egal … jedenfalls geht’s ums liebe Geld! Der Bundesrat hatte massiv gekürzt auch in diesem Bereich, der Nationalrat hat in der Sommersession nach einer 6-stündigen Debatte wieder punktuell ein bisschen draufgelegt. Dann ging das Geschäft rüber zum Ständerat und dieser hat alles wieder zurückgesetzt auf «Feld 1» . Zurück im Nationalrat haben wir überzeugt von unserer Position alles wieder auf «Version Nationalrat» raufgesetzt. In den letzten Runden der Differenzbereinigung zwischen den beiden Räten konnte man sich aber dann doch noch gegenseitig annähern und fand einen guten Kompromiss.

Die gesprochenen Finanzrahmen sind gerade für die Schweiz entscheidend! Investitionen in Bildung, Forschung und Innovation sind die Grundlage für eine wohlhabende, gerechte und nachhaltige Schweiz, denn wir haben bekanntlich kein Gold, kein Öl … und übrigens auch kein Uran! Und wie Benjamin Franklin es treffend zu sagen pflegte: «Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen.»

Berichterstattung: Bundesbeiträge für Bildung und Forschung sind unter Dach und Fach von der SDA


Die Debatte zur Individualbesteuerung: Ein Schritt in die richtige Richtung

Für mich persönlich und auch für uns Grünliberale war die Debatte zur Individualbesteuerung eines der zentralen Themen dieser Session. Die Einführung einer faireren und zeitgemäßeren Besteuerung unabhängig vom Zivilstand ist für uns ein zentrales Anliegen.

Der Nationalrat hat nach einer ewig langen Debatte mit knappem Mehr den Gegenvorschlag zur Steuergerechtigkeits-Initiative gutgeheissen. Für die Vorlage stimmten SP, FDP, Grüne und GLP. Dagegen votierten SVP und Mitte. Das Gesetz über die Individualbesteuerung ist der indirekte Gegenvorschlag zur Steuergerechtigkeits-Initiative. Über die Parole will der Rat erst nach Abschluss der parlamentarischen Beratungen über die Vorlage zur Individualbesteuerung entscheiden.

Minderheitsanträge von Rot-Grün, damit die Einnahmen aus der direkten Bundessteuer wegen der individuellen Besteuerung nicht wie vom Bundesrat erwartet um eine Milliarde Franken sinken, lehnte der Rat in der Detailberatung ab. Ebenso sagte der Rat Nein zur Idee der SP, die familienexterne Kinderbetreuung in die Vorlage aufzunehmen. Die SVP wiederum wollte an der Ehe als wirtschaftliche Gemeinschaft festhalten und beantragte mit zwei Minderheitsanträgen ein Voll- und ein Teilsplitting-Modell. Beide Anträge wurden trotz Unterstützung der Mitte-Fraktion abgelehnt. Die Mitte-Partei hat für die Abschaffung der Heiratsstrafe eine eigene Volksinitiative eingereicht. Ihr Antrag, das Inkrafttreten der Vorlage dem Bundesrat zu überlassen, statt den Kantonen eine Übergangsfrist von sechs Jahren für die Umsetzung zu setzen, wurde abgelehnt.

Die Vorlage geht nun an den Ständerat. Die politischen Mehrheiten sind dort dann andere. Ich drücke fest die Daumen, dass die Vorlage auch im Ständerat auf Zustimmung stösst.

Berichterstattung vom Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) : Die brüchige «Allianz der Vernünftigen»


Nominiert zur 2. Vizepräsidentin des Nationalrates

Ein besonders erfreuliches Ereignis für mich war die Nominierung durch die GLP-Fraktion zur 2. Vizepräsidentin des Nationalrates. Werde ich zu Beginn der Wintersession tatsächlich vom Nationalrat gewählt, werde ich wohl im Dezember 2026 dann auch das Präsidium übernehmen (2. Vizepräsidium – 1. Vizepräsidium – Präsidium).

Und was bedeutet eigentlich dieses Amt, was muss ich tun, was muss ich mitbringen? Gute Frage. Hier das Resultat meiner Recherche: Die Nationalratspräsidentin spielt eine Schlüsselrolle in der Schweizer Politik, da sie nicht nur die Sitzungen leitet, sondern auch als Repräsentantin des Nationalrats und des ganzen Landes agiert. Die Rolle erfordert sowohl politische Erfahrung als auch diplomatisches Geschick, Kommunikationsstärke und organisatorische Fähigkeiten.
Es ist eine große Ehre und eine noch größere Verantwortung, die ich mit Demut und Entschlossenheit annehmen werde. Ich freue mich darauf, in dieser neuen Rolle meinen Beitrag zur parlamentarischen Arbeit zu leisten.

Und hier einige Reaktionen der Medien:


Evaluationsbericht des Fortpflanzungsmedizingesetz ist da!

Ich hatte ja wegen des drohenden Fristablaufs zur Aufbewahrung eingefrorener Eizellen eine Interpellation eingereicht: Interpellation zur Überprüfung der 10-Jahresfrist für die Lagerung von Eizellen gemäss dem schweizerischen Fortpflanzungsmedizingesetz

Gleich am Tag nachdem der Bundesrat diese beantwortet hat, ist dann der Evaluationsbericht (… auf den der Bundesrat noch warten wollte …) veröffentlicht worden (als ob der Bundesrat das nicht gewusst hätte …). Und dieser fällt ganz in meinem Sinne aus und empfiehlt ebenfalls, die starre 10-Jahresfrist aufzuheben. Eine gute Übersicht über die ganze Thematik kannst Du in diesem danach erschienenen BaZ-Artikel nachlesen: Frist für eingefrorene Eizellen soll doch aufgehoben werden


Mein Vorstoss für die Nachtzüge: Nachhaltigkeit darf nicht auf der Strecke bleiben

Zum Abschluss möchte ich noch auf meinen Vorstoss bezüglich der Kürzung der Beiträge für die Nachtzüge eingehen. Seit Jahren kämpfe ich und einige andere hier im Parlament für die Stärkung internationaler Nachtzugverbindungen. Nachtzüge bieten eine umweltfreundliche Alternative zum Flugverkehr und sind zentral für eine klimafreundlichere Zukunft in Europa. Der Bundesrat plant nun aber aus Spargründen, die dafür vorgesehenen 30 Mio. Fr. zu streichen (siehe Berichterstattung z.B. in der Basler Zeitung). Dies wirft Fragen zur Einhaltung des bestehenden Gesetzes auf und könnte den Austausch mit unseren europäischen Nachbarn stören.
Ich habe deshalb einen Vorstoss eingereicht: Zukunft der Nachtzugverbindungen nach Rom und Barcelona: Streichung der Beitrage durch den Bundesrat entgegen gesetzlicher Grundlage!


Der GLP-Fanclub (Cercle d’avenir)

Ja es gibt nicht nur Grünliberale Parteimitglieder oder Grünliberale Wählerinnen und Wähler, nein es gibt auch einen Grünliberalen Fanclub: Der Cercle d’avenir.

Der Fanclub sorgt vor allem dafür, dass die GLP-Kasse noch etwas poliert und aufgebessert wird. Die Mitglieder sind aber dafür noch etwas enger mit der Bundeshausfraktion im Austausch als andere. In dieser Session waren sie wieder mal zu Besuch bei uns. Wir hatten die Ehre, dass unser GLP-Mitglied Nicholas Hänny, CEO und Gründer von NIKIN, dazugestossen ist und uns sein «Start-up» (… das war mal …) näher gebracht hat.

NIKIN ist ein Kleider-Brand für Naturliebhaber*innen, die zusammen Bäume pflanzen und die Natur schützen. Von jedem NIKIN Verkauf geht ein Teil an Baumpflanzprogramme auf der ganzen Welt. Ein einzelner Baum verändert die Welt nicht über Nacht, aber nach und nach soll mit der Community die Erde zu einem grüneren Ort gemacht werden. Es werden Clean Ups, Tree Planting Days, Flohmärkte und viele weitere tolle Events zusammen organisiert. Einfach faszinierend dieser Nicholas Hänny und sein Team!

Nach dem Austausch gab es dann den gemütlichen Teil bei einem Glas Wein und ein paar Häppchen im Restaurant des Bundeshauses. Auch dabei war unser Bundeskanzler Viktor Rossi. Einmal mehr waren es gewinnbringende und inspirierende Gespräche. Danke für den Besuch und danke für Eure Unterstützung! Übrigens … man könnte auch selbst Teil davon sein!


Schlusswort

Ich könnte noch so einiges berichten …

… z. B. dass parallel zur Session in Basel-Stadt der Wahlkampf tobte und ich zwischen den Sessionswochen auf der Strasse mithalf wo ich konnte. Das TeamGLPBS war für meinen Sitz auf der Strasse im letzten Wahlherbst, also ist es für mich selbstverständlich, dass ich jetzt ebenfalls helfe, wo ich kann! Es braucht mehr «Grünliberal überall!»

… oder dass es einfach immer noch Spass macht , politisch zu debattieren und spannend ist, so viele unterschiedliche Menschen kennenzulernen, Mehrheiten zu beschaffen und damit umzugehen, wenn etwas entschieden wird, das einem jetzt gar nicht in den Kram passt. C’est la vie und es ist eine Lebensschule!

Ich schliesse nun den Bericht hier aber ab, denn alles sollte mal ein Ende haben ausser der Wurst natürlich, aber ihr seid mir alles andere als Wurst und deshalb lasse ich es damit begnügen.

Ich wünsche allen ein schönes Wochenende und bis bald. Stay tuned!

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