Die letzte Session meiner ersten Legislatur im Nationalrat war so reich befrachtet, dass zum Schlafen wirklich kaum ein paar Stunden übrig blieben. Wie ich aber schon immer zu sagen pflegte «Schlafen kann ich auch später noch».
Im Unterschied zu anderen Sessionen hiess es in dieser immer wieder Basel-Bern-Basel-Bern-Basel-Bern … ! Wegen des im Fokus stehenden Wahlkampfs in Basel-Stadt, wo von aktuell fünf nur noch vier Sitze für Basel-Stadt zu vergeben sind, durften wir viele Podien und TV-Interviews bestreiten. Dies aber auch während der Sessionswochen und natürlich bei uns zu Hause in Basel-Stadt.
Am Wochenende hiess es dann zusätzlich noch ab auf die Strasse, zu den Leuten, präsent sein. Nach der langen Vorbereitungszeit im Hintergrund war es aber schön, endlich auch mit den eigenen Positionen in Erscheinung treten zu können und die Bevölkerung auch zu spüren.
Die Stimmung im Bundeshaus in dieser Zeit war nicht erkennbar anders. Aber die Nervosität von einzelnen Parlamentsmitgliedern und die vielen Kameras in der Wandelhalle deuteten doch darauf hin. Es war ein komisches Gefühl, als dieser gelbe Zettel auf dem Pult lag, mit dem man aufgefordert wurde am letzten Tag der Session bitte die Pulte komplett zu räumen. Schluck!!!!
Und dann kam der letzte Sessionstag, den man dann am Abend ausgelassen gefeiert hat. Am musikalisch umrahmten Umtrunk im Restaurant des Bundeshauses wurde sogar das Tanzbein geschwungen. Für einige Parlamentsmitglieder war es auch der grosse Abschiedsabend, da sie nicht mehr zu den Wahlen antreten werden.
Und nun komme ich aber noch wie immer zu einigen wenigen Geschäften, wovon ich Euch berichten möchte:
Mantelerlass: Ende gut, alles gut?
Das Bundesgesetz für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien – der sogenannte Mantelerlass –gilt als Kerngeschäft bei der Umsetzung der Energiewende. Es ging in der Herbstsession darum, eine mehrheitsfähige Vorlage zu zimmern. Offen waren verschiedene Differenzen in unterschiedlichen Themengebieten.
Der Mantelerlass bringt nun wichtige Neuerungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien bei der Güterabwägung und der Bewilligungsfähigkeit von Energieprojekten ausserhalb der Bauzone. Zudem unterstützt der Gesetzgeber ausdrücklich die Umsetzung von 16 namentlich genannten Wasserkraftprojekten für die Winterstromversorgung und schafft eine gesetzliche Grundlage für die Wasserkraftreserve, mit welcher kurzfristig kritische Versorgungssituationen überbrückt werden können.
Für Haushalte und KMU sieht das Parlament vorderhand keine freie Wahl des Stromlieferanten vor. Es ändert jedoch die Vorgaben bezüglich Preisbildung.
Für die Versorgungssicherheit zählt auch jede eingesparte Kilowattstunde. Mit den nun beschlossenen Effizienzvorgaben kommt daher statt einer Evolution eine kleine Revolution auf die Branche zu.
Viel Luft nach oben besteht demgegenüber weiterhin bei der Netztarifierung und der Nutzung netzdienlicher Flexibilitäten.
Viele Fragen bleiben aber noch offen, die erst 2024 im Rahmen der Verordnungen geregelt werden.
Meine Meinung:
Endlich geht mal so richtig was im Bereich erneuerbare Energien. Das Ziel ist jedoch noch längst nicht in Griffweite. So hat die Volksabstimmung im Wallis eben erst vor Augen geführt, wie schwierig es ist, die Bevölkerung von der Notwendigkeit eines pragmatischen Ausbaus der erneuerbaren Energien zu überzeugen. Und dies, obwohl das Ausbautempo weiter beschleunigt werden muss, wenn wir unsere Ziele nicht erst in 100 Jahren erreichen wollen. Während mit der Biodiversitätsinitiative eine Vollbremsung hingelegt würde, versucht der Beschleunigungserlass den Bewilligungsverfahren Beine zu machen, um Sisyphus aus seiner ewigen Rückkehr auf Feld eins zu befreien.
Die Uhr tickt auch bei der Zusammenarbeit der Schicksalsgemeinschaft Schweiz-EU unüberhörbar. Ein Stromabkommen würde nicht nur die Risiken für die Netzstabilität und die Versorgungssicherheit, sondern auch unnötige Kosten für die Schweizer Konsumenten reduzieren.
Der Mantelerlass ist ein wichtiger Meilenstein, er ist aber längst nicht das Ende der Geschichte. Auf dem langen Weg in Richtung Energie- und Klimaziele heisst es auch in der neuen Legislatur: dranbleiben!
Politik und Mutterschaftsurlaub sollen vereinbar sein
Aktuell verliert eine Parlamentarierin ihre Mutterschaftsentschädigung für ihre hauptberufliche Tätigkeit, sobald sie an Sitzungen des Parlaments teilnimmt. Das Bundesgericht bestätigte dies vor einem Jahr in einem Leiturteil. Dieses betraf meine GLP-Kollegin Kathrin Bertschy. Sie bezog nach der Geburt ihres Kindes Ende 2018 Mutterschaftsentschädigung. Im Februar 2019 nahm die sonst selbständig Erwerbende an einer Kommissionssitzung und ab dem 3. März fast täglich an weiteren Sitzungen teil. Nur: Die Ausgleichskasse sprach Bertschy wegen der Teilnahme am Ratsbetrieb den Anspruch auf Entschädigung ab dem 4. März ab. Die Tätigkeit als Nationalrätin taxierte die Kasse als Erwerbstätigkeit. Dagegen klagte sie erfolglos bis vor Bundesgericht. Vor einem Jahr wies das Bundesgericht in einem Leiturteil ihre Klage ab. Das Gericht argumentierte formaljuristisch mit der Sozialversicherungsgesetzgebung. Das Urteil war umstritten, Kritik kam nicht nur von feministischer, sondern auch von juristischer Seite.
Nicht nur auf nationaler Ebene, auch in den Kantonen und Gemeinden sorgte dieses Gesetz immer wieder für Konflikte – deswegen reichten die vier Kantone Zug, Luzern, Baselland und Basel-Stadt entsprechende Standesinitiativen für eine Gesetzesänderung ein. Die Forderung: Mutterschaft und Politikamt sollten kompatibel sein. Dies ist eine Grundsatzfrage der politischen Teilhabe von Frauen in der Schweizer Politik. Frauen sollten an wichtigen politischen Abstimmungen teilnehmen können, ohne damit drastische finanzielle Konsequenzen zu erleiden.
Nun hat das Parlament endlich legiferiert. Neu soll die Teilnahme von im Mutterschaftsurlaub stehenden Müttern an Sitzungen von Parlamenten nicht mehr als Aufnahme der Erwerbstätigkeit gelten. Die Frau verliert also ihre Mutterschaftsentschädigung nicht, wenn sie in einem Parlament mitarbeitet. Dasselbe gilt für die Teilnahme an Kommissionssitzungen. Die Gesetzesänderung geht auf Standesinitiativen mehrerer Kantone zurück. Die neue Regelung wird auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesebene gelten.
Meine Meinung:
Diese Gesetzesanpassung ist ein kleines aber wichtiges Puzzleteil auf dem Weg zur Gleichstellung resp. auch zu einem grösseren Frauenanteil in der Politik. Denn drohen weibliche Mandatsträgerinnen während längerer Perioden einer Legislatur auszufallen, so meiden diese selbst oder die EntscheidungsträgerInnen in der Partei eine Kandidatur. Oft kann sogar eine einzige Stimme im Parlament entscheidend sein und die Bevölkerung möchte von ihren Gewählten auch an der Front im entscheidenden Moment vertreten sein. Gewählte müssen wenn immer möglich ihr Mandat wahrnehmen können.
Massnahmen gegen Prämienschock
Was tun, um die Explosion der Krankenkassenprämien zu stoppen? Diese Frage beschäftigt das Parlament auch diese Session. National- und Ständerat müssen noch die letzten Details klären für die Gegenvorschläge zur Prämienentlastungs-Initiative der SP und die Kostenbremse-Initiative der Mitte. Ausserdem liegt ein weiteres Massnahmenpaket des Bundesrats auf dem Tisch. Krankenversicherern soll zum Beispiel erlaubt werden, die Daten ihrer Versicherten zu nutzen, um diese individuell über mögliche Einsparungen oder passendere Versorgungsmodelle zu informieren. Zudem will die Kommission alternative Versicherungsmodelle langfristig attraktiver machen, indem Mehrjahresverträge ermöglicht und Prämienrabatte anders berechnet werden sollen. Weiter sollen Apothekerinnen und Apotheker neu verschiedene Tätigkeiten in der Beratung und Prävention gegenüber der Grundversicherung abrechnen können.
Der Nationalrat ist beim Ausbau der Prämienverbilligungen leider auf die Linie des Ständerats eingeschwenkt. Dies ist eine absolut ungenügende Lösung. Ursprünglich hatte der Nationalrat über zwei Milliarden Franken für zusätzliche Prämienverbilligungen verlangt – davon zusätzliche 800 Millionen Franken zulasten der Kantone. Und die aktuelle Vorlage beinhaltet noch lediglich Mehrkosten von 356 Millionen Franken für die Kantone. Weil aber die Mitte-Partei dieses Mal nicht mehr mit der Ratslinken, sondern zusammen mit der SVP- und der FDP-Fraktion stimmte, setzte sich schliesslich die mickrige Lösung des Ständerats durch.
Das Konzept sieht weiter vor, dass weiterhin die Kantone die Kompetenz für die Berechnung des genauen Prämienverbilligungsbetrags haben werden. Die Mehrheit der Nationalratskommission sah diese Kompetenz beim Bundesrat, damit die Sozialziele zwischen den Kantonen verglichen werden könnten. Auch in diesem Punkt setzte sich schliesslich aber die bürgerliche Mehrheit aus SVP, FDP und Mitte-Partei durch.
Meine Meinung:
Ganz schlechte Ausgangslage: Wir lehnen die Initiative dezidiert ab und wollten aber einen griffigen Gegenvorschlag, da es tatsächlich Massnahmen braucht, um die Menschen konkret zu entlasten, zumindest mal auf der Symptom-Seite der Gesundheitskosten. Nun wird die Initiative jedoch nicht zurückgezogen und kommt zur Abstimmung und mit diesem mickrigen Gegenvorschlag, der seinen Namen nicht verdient – so wachsen die Chancen der Initiative auf Unterstützung durch die Bevölkerung.Tja …
Zudem habe ich/die Fraktion folgende Vorstösse eingereicht:
- Interpellation «Wo steht das E-Voting für Auslandschweizer:innen und Menschen mit Behinderungen?»
swissinfo.ch, 25. September 2023: Endspurt um die Gunst der Ausgewanderten - Interpellation «Fehlende Stärkung von Innovationen durch die Spezialfinanzierung Luftverkehr SFLV»
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